VTK in Verbier – endlich wieder treffen

Sie fühlte sich an wie eine lang ersehnte Familienzusammenkunft – die VTK Tagung in Verbier nach der Corona-Zwangspause. Neben dem sozialen Faktor überzeugte der fachliche Input.

Unter dem Motto „Ökonomie und Technologie“ erhielten rund 360 Teilnehmer der VTK-Tagung in Verbier (Westschweiz) wichtige Informationen von Behörden, Skigebieten, Forschung und Zulieferindustrie.

Zwölf Referate und zwei Exkursionen bildeten den Kern der Versammlung, die durch eine große Ausstellung der Industrie bereichert wurde. Durch die Tagung im Veranstaltungszentrum Espace Saint-Marc führte erstmals Moderator und VTK-Vorstand Andreas Sturzenegger. Am Vorabend gab es bereits ein fröhliches Nachtessen. Die Begrüßung am Tag 1 erfolgte durch VTK- Präsident Andreas Zenger.

BAV: Defizite durch Outsourcing

Niklaus Imthurn von der Aufsichtsbehörde BAV betrat als erster die Bühne. Er stellte das neue Personal der Abteilung Seilbahntechnik vor und berichtete über die Kontrollen der Behörde, die durch Corona teilweise verschoben wurden.

Imthurn beklagte das zunehmende Outsourcing von Know-how im Bereich der Bautechnik von Bergbahnen. Gleichzeitig lobte er den zunehmenden Einsatz elektronischer Hilfsmittel. „Defizite gibt es bei der termingerechten Umsetzung unserer Anweisungen und beim Arbeitszeitgesetz“, so Imthurn.

Er betonte, dass die BAV sich zur Leitbehörde (Prozessführer) in den Genehmigungsverfahren entwickelt und sich als „One stop shop“ für Seilbahnunternehmen versteht.

IKSS: Seilbahn wurde beschossen

Sein Behördenkollege Ulrich Blessing vom IKSS mahnte an, dass Kleinskilifte oft zu wenig Aufmerksamkeit bekommen – auch in großen Skigebieten. Die Folge ist ein Verlust von Fachwissen, etwa, dass auch bei Kleinskiliften das Seil visuell geprüft werden muss.

„Sorgfalt ist auch bei alten Förderbändern nötig, die vor rund 20 Jahren noch ohne Norm gebaut wurden und zunehmend nachgerüstet werden müssen“, so der Beamte. Zudem informierte Blessing über die Revision des IKSS Reglement und über die IKSS-Hilfsmittel.

Wie jedes Jahr wurde sein Ereignisbericht mit Spannung erwartet, da dieser stets mit allerlei kuriosen Unfällen gespickt ist. Der Höhepunkt war der Beschuss einer Seilbahn durch einen Minenwerfer im Rahmen von Lawinensprengungen.

„Ich wünsche mir mehr Einsicht, dass Organisation und Abläufe großen Einfluss auf die Sicherheit haben“, so Niklaus Imthurn vom BAV.

„Die Elektrik von Förderbändern ist oft veraltet. Rüsten Sie nach – für die Sicherheit der Kinder“, mahnte Ulrich Blessing (IKSS).

„Unser Verband ist stark, kompetent, effizient, wirkungsvoll und proaktiv“ formulierte Berno Stoffel das Selbstverständnis von SBS.

SBS: Proaktiv bei unbequemen Themen

Über die herausfordernde Arbeit des Verbands Seilbahnen Schweiz (SBS) in der Corona-Pandemie berichtete Direktor Berno Stoffel: „Wir sind ein starker Verband, gute Kontakte in höchste Kreise halfen uns beim Feilschen. Auch die Loslösung vom Verband Öffentlicher Verkehr VÖV hat sehr gut funktioniert.“

TECHNOALPIN CH-Verkaufsleiter Martin Hofer (li.) im Gespräch mit Samuel Lorenz.

Simon Stark (links) und Stefano Bortoletto vertraten KLÜBER auf der VTK 2021.

Florian Immoos (r.) erklärte Urs Roos von Andermatt-Sedrun sein Seilfahrgerät SS20 AWD.

Besonders wichtig war und ist der Kompetenzaufbau, um mit Zahlen, Daten und Fakten Argumente gegenüber Politik und Öffentlichkeit zu haben. „Hier ist die proaktive Kommunikation bei unbequemen Themen wichtig, wie etwa beim Energieverbrauch, dem Wassermanagement und der Landschaftspflege.“

Stoffel sprach zudem über das Nachfolgeproblem bei Technischen Leitern (siehe ausführlich Seite 26-27) Anschließend stellten Christopher Maret, Präsident der Gemeinde Bagnes und Simon Wiget, Direktor Verbier Tourisme, die Tagungsdestination Verbier/Le Châble vor.

Team TEUFELBERGER (v.l.): Oliver Stiebinger, Martina Strohmayer und Laura Fioravanti.

Rolf Bissig von REMEC (rechts) präsentierte die Instandhaltungssoftware Sambesi.

„Forschung, Entwicklung und Feedback sind für unsere Produkte wesentlich“, sagte Karlheinz Terrabona von TECHNOALPIN.

Von Schnee und Wind

Über Neuheiten der Beschneiung referierte Karlheinz Terrabona von der Firma TECHNOALPIN. Besondern Fokus legte er auf die Fernwartung der Schneianlagen durch die Software ATASSpro.

Weniger um Schnee als vielmehr um Wind drehte sich der Vortrag von Fritz Jost (SBS). Er sprach über die neuen Seilbahn-Wegleitungen „Windgutachten“ und „Wind im Betrieb“. Viele würden die Werte im Betriebskonzept aufrunden. Dabei könnte Geld gespart werden, wenn man sich an die Wegleitung hielte.

„Windböen sind im Seilbahnbetrieb schwer einzuschätzen, sie werden häufiger und intensiver“, berichtete Fritz Jost vom SBS.

Die automatische Schmierung thematisierte Guido Bayard von SIMATEC (rechts).

Denn die Erfahrung des Betreibers fließt in die Wegleitung ein, verschiedene Anlagentypen für Betrieb bei Wind werden berücksichtigt. „Wir befinden uns hier im Spannungsfeld Nutzungsvereinbarung – Betriebskonzept – Statik“, erklärt Jost. Beim Windgutachten ist es wichtig, den Sicherheitszuschlag erst am Schluss und nicht durch jeden Ingenieur selbst zu berechnen (z.B. Windgutachter, Bauingenieur, Ausführungsplanung).

Stephan Stoffel vom IKSS machte es sich in der Gondel von BARTHOLET gemütlich.

CEO Oliver Suter (Mitte) stellte die neuesten Produkte von AXESS vor.

Thomas Götz von GRÜNENFELDER (li.) mit Remo Gwerder von der Rotenfluebahn.

Wärme als Problem

Über Bauen im Permafrost referierten Christophe Lambiel von der Universität Lausanne und Marcia Phillips vom WSL- Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos.

Sie zeigten anhand des nahe Verbier gelegenen Mont-Fort und anderen Infrastrukturen in der Schweiz, worauf es theoretisch und praktisch ankommt. „Es geht um den Eisgehalt im Permafrost.

Der Volumenverlust birgt die Gefahr von Löchern und Rissen“, sagt Phillips. Unterschätzt wird oft auch die Wärme von Beton und Besuchern. Aber es gibt technische Lösungen, etwa Felsanker.

Konstantin Kühner von JAKOB ROPE SYSTEMS begleitete das Nachtessen musikalisch.

Standardlehrbuch für Seilbahnbranche

Roger Walser stellte anschließend die SBS-Strategie „Ausbildung 2027“ vor. Das Schulungshaus in Meiringen soll zu einem „modernen, systematischen, kundennahen und eigenverantwortlichen Kompetenzzentrum für die Seilbahnbranche“ werden.

Das bedeutet, dass die Bildungsmodule flexibel sind, das Konzept nah an den Schülern bleibt und das Zentrum nicht Teil einer übergeordneten Schule wird. „Als großes Ziel haben wir uns ein Standardlehrbuch für die weltweite Seilbahnbranche gesetzt“, betont Walser.

Seinem Bericht folgte die Generalversammlung und ein festliches Nachtessen.

„Die klimatischen Bedingungen am Mont-Fort sind noch günstig für den Permafrost“, sagte Christophe Lambiel von der Uni Lausanne.

„Vermeiden Sie das Bauen auf eisreichen Permafrost“, empfahl Marcia Phillips vom SLF Davos.

„Wir machen aus dem Ausbildungshaus Meiringen ein umfassendes Kompetenzzentrum“, bekräftigte Roger Walser vom SBS.

Bedienerlos fahren

Tag 3 begann dann mit dem spannenden Thema „Bedienerloser Betrieb von Seilbahnen“. Patrick Schibli von der BACO AG und Mitglied der SBS-Arbeitsgruppe sprach über die neue Technische Richtlinie, während Eric Bellon von der SISAG AG über Konsequenzen für den Steuerungsbau referierte.

Den Abschluss machte Samuel Matti vom SBS mit einem Vortrag über das Behindertengleichstellungsgesetz bei Seilbahnen. Anschließend standen noch zwei Exkursionen auf dem Programm, eine mit rund 60 Teilnehmern zur Staumauer Mauvoisin und eine auf den Mont-Fort.

Dort diskutierten rund 40 Techniker bei bester Stimmung, warum ausgerechnet jetzt die Pendelbahn einen Defekt hatte – wahrscheinlich der klassische Vorführeffekt. ts