
Digitalisierung & Innovation, Seilbahn & Technik, SI 3/2025
Der digital vernetzte Seilbahnbetrieb
SI Magazin: Herr Zgraggen, auf der Messe INTERALPIN möchten SISAG und REMEC die vernetzten Digitalprodukte zum Thema machen. Warum?
Marco Zgraggen, Geschäftsführer der SISAG: Ob Bergbahner die digitalen Produkte von SISAG, REMEC oder Drittanbietern nutzen – überall fallen Daten an. Wenn man diese intelligent vernetzt, schafft das einen Mehrwert für den Betreiber sowohl insgesamt als auch in jedem einzelnen Produkt.
Ein gutes Beispiel ist die Schnittstelle der Steuerung SisPac mit der Instandhaltungssoftware SAMBESI. Die Messwerte der Seilbahn triggern automatisch Aufgaben im Wartungstool.
Können Sie hier ein konkretes Beispiel nennen, Herr Stadler?
Johannes Stadler, Geschäftsführer der REMEC: Ja, sogar ein topaktuelles: Ab sofort kann die Steuerung SisPac in SAMBESI die monatliche Bremsprobe auslösen und Messwerte aufzeichnen. Die Daten werden direkt in SAMBESI übertragen und dort dokumentiert.
Ein weiteres Beispiel ist die Klemmenzählung: Mit der Vernetzung von Steuerung und Instandhaltungssoftware werden Tippfehler oder Lücken vermieden, falsche oder gar keine Wartung wird damit vorgebeugt.
Ebenfalls ist das auch zum Beispiel für die Blendenkontrolle denkbar. Die Schnittstelle von SisPac und SAMBESI sorgt generell für eine wissensbasierte Instandhaltung mit Blick auf Verschleiß statt Intervall.
Marco Zgraggen
Geschäftsführer SISAG
Johannes Stadler
Geschäftsführer REMEC
Welche Rolle spielt das Sis-Control Cockpit im vernetzten Betrieb?
Marco Zgraggen: Im SisControl Cockpit laufen alle Fäden zusammen – hier behält der Betreiber den Überblick und kann die Richtung vorgeben. So ist im Cockpit der Fahrplan und der gewünschte Füllgrad von Pendel- und Standseilbahnen hinterlegt, der an die Steuerung weitergegeben wird.
Die Steuerung wiederum misst mittels 3D-Sensoren das Volumen von Personen und Gütern, die mit der Seilbahn fahren sollen, und steuert entsprechend die Drehkreuze. Je nach Fahrgast- und Güteraufkommen fährt die Bahn automatisch öfter oder weniger bzw. schneller oder langsamer als der Fahrplan vorgibt.
So kann der Energieverbrauch im Eco-Mode an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden.
Welche weiteren digitalen Produkte werden in das Netzwerk integriert?
Johannes Stadler: Unser Gästeprognosetool KASSANDRA interagiert mit SisControl, sofern keine Zutrittssysteme von Drittanbietern vor Ort installiert sind. Zudem liefert KASSANDRA die Gästeprognose für POLLUX – unserem digitalen Zwilling von Skigebieten. Somit können langfristige Strategien, aber auch Tagesabläufe, mit verifizierten Daten simuliert werden.
Jetzt neu:
Die Oberfläche von SAMBESI inklusive den Messwerten über die Schnittstelle zu SisPac2.
Apropos neu: Sie präsentieren auf der INTERALPIN das neue Tool SisLink. Was können wir uns darunter vorstellen?
Marco Zgraggen: Mit SisLink vereinfachen wir die Gästekommunikation entlang der Seilbahnstrecke erheblich. Über den Funkstandard LORA, der sehr wenig Energie benötigt, spricht SisLink im Störungsfall Textkonserven direkt in die Kabinen ein – und das in vielen Sprachen.
Ein Trigger in der Seilbahnsteuerung löst dies automatisch aus. SisLink bietet einen deutlichen Mehrwert gegenüber den üblichen Lautsprechern an den Stützen, die durch Wind und Wetter sowie aufgrund der großen Distanzen oft schlecht hörbar sind.
In der LITE-Variante benötigt SisLink lediglich einen kleinen Akku und kommt ohne Solarpanel aus. Die PRO Version verfügt zusätzlich über WiFi/GMS und bietet zahlreiche Audio und Video Schnittstellen. Das braucht mehr Energie und Infrastruktur. Dafür kann Werbung in den Kabinen selektiv abgespielt werden.
Messeneuheit:
Das neue Produkt SisLink ermöglicht die Gästeinformation direkt in die Kabinen – und das mit wenig Infrastruktur- und Energieaufwand.
SISAG & REMEC sind für Seilbahnsteuerungen, Betrieb und Unterhalt bekannt – woher kommt diese Bandbreite?
Johannes Stadler: Wir hören seit jeher auf die Bedürfnisse unserer Kunden, die Produkte sind Ausdruck davon. Wir entwickeln keine Lösungen im stillen Kämmerlein und suchen dann den Markt, sondern entwickeln Innovationen in Zusammenarbeit mit Betreibern, Behörden und Hochschulen. Die Instandhaltungssoftware SAMBESI ist etwa im Zuge der Normenvereinheitlichung entstanden.
Zudem blicken wir über den Tellerrand der Branche – beispielsweise haben wir als eine der ersten den Gebrauch von Tablets in der Seilbahnbranche stark forciert. Da war anfangs viel Überzeugungsarbeit nötig, nun ist es Branchenstandard.
Marco Zgraggen: Zudem entwickeln wir unsere Produkte – egal ob Hard- oder Software – mit einem langfristigen Fokus. Sowohl eine Steuerung als auch eine Instandhaltungssoftware sollten so langte bestehen können, wie eine Seilbahn selbst. Die Produktkonzepte müssen daher von Anfang an so gestaltet sein, dass sie an den technologischen Wandel anpassbar und in neue Systeme migrierbar sind.
Darüber hinaus begleiten wir unsere Kunden teils über Jahrzehnte. Da müssen wir auch nach 15 Jahren noch bei alten Modellen helfen können. Umso wichtiger sind kompetente Fachkräfte mit langer Betriebszugehörigkeit in unseren eigenen Reihen.
Die kluge Seilbahn:
Mit 3D-Sensoren werden Personen von der Seilbahnsteuerung erfasst.
Wie gelingt es Ihnen, kompetente Mitarbeitende für viele Jahre zu halten? Was macht SISAG und REMEC als Unternehmen aus?
Marco Zgraggen: Wir haben eine tiefe Fluktuation, weil wir als Unternehmen nicht stehen bleiben. Vor 40 Jahren waren wir ein klassischer Zulieferer für Elektrotechnik, ohne Veränderung hätten wir sicher Mitarbeitende verloren oder gar unsere Daseinsberechtigung am Seilbahnmarkt.
Mit der Entwicklung zu einem breiten Hard- und Softwareanbieter können wir spannende Aufgaben bei einem gleichzeitig sicheren und motivierenden Arbeitsklima anbieten. Zudem arbeiten wir daran, unser Team immer wieder zu inspirieren – etwa durch den SisCampus mit eigenem Restaurant und Hotel.
Insgesamt kommt uns die Rolle als attraktiver, unabhängiger Branchenlieferant zugute.
Johannes Stadler: Ich denke, zum Erfolg gehört auch Mut dazu. Und den haben die Gründer von REMEC im Jahr 2010 eindrücklich bewiesen. Die Entscheidung, REMEC als eigenständige Firma anstatt als SISAG-Abteilung zu schaffen, ermöglicht es uns, REMEC in vielen Branchen mit den richtigen Produkten zu positionieren. Die Vernetzung zu SISAG ist ja gegeben, wenn man sich die Schnittstellen ansieht!
Interview: Thomas Surrer