Garaventa: Umbau am laufenden Band

Der Retrofit von Seilbahnen boomt – und der Seilbahnhersteller GARAVENTA hat großen Anteil daran. Woran liegt das? Und welche Herausforderungen gilt es zu meistern? Ueli Sutter, Projektleiter Verkauf bei GARAVENTA, gibt Antworten anhand aktueller Projekte in der Schweiz

SI Magazin: Herr Sutter, wie bedeutend sind Umbauten in der Seilbahnbranche?

Ueli Sutter: Je nach Seilbahntyp spielt der Retrofit eine große bis sehr große Rolle. Am häufigsten sind Umbauten bei Standseilbahnen – die meisten sind schon über 100 Jahre alt und nur wenige werden neu errichtet. In der Schweiz betrifft das über 90 Prozent der Standseilbahnen, weltweit circa die Hälfte.

Auch bei Pendelbahnen gibt es viele Umbauten, wobei hier die Grenze zwischen Um- und Neubauten teils verschwimmt. Es gibt eigentlich immer Bestandskomponenten, die wir noch verwenden können.

Wie sieht die Situation bei Kabinenumlaufbahnen und Sesselbahnen aus?

Auch hier werden vermehrt Bestandsanlagen einem Retrofit unterzogen, da die Substanz meist noch sehr gut ist und die Investitionsbereitschaft nach der Coronapandemie nicht überall für eine Neuanlage reicht. Oft genügt es, die Steuerung und einige Komponenten zu ersetzen.

Am Vorabgletscher in Laax verwenden wir zum Beispiel die Stützen und Teile der Stationen weiter, obwohl die Bahn Crap Masegn-Fuorcla-Vorab von einer 6er- zu einer 8er-Kabinenbahn ausgebaut wird.

Trotz zahlreicher Umbauten sind bei Sessel- und Gondelbahnen fast 40 Prozent der Projekte Neubauten, insbesondere um höhere Förderleistungen und besseren Fahrkomfort zu erzielen.

Ueli Sutter

Projektleiter Verkauf GARAVENTA

„Retrofits sind oft trickreicher als Neubauten.“

Welche Trends sehen Sie bei Retrofits von Seilbahnen?

Das Marketing unserer Kunden ist deutlich stärker in die Planung eingebunden als früher. Den Bergbahnen geht es immer häufiger darum, nicht nur die Technik zu ersetzen, sondern dem Gast einen Mehrwert zu bieten.

Für den Endkunden soll die Bahn nach dem Umbau wie neu wirken, entsprechend wichtig sind die Kabinen oder Sessel sowie modernisierte Stationen. Auch die Themen Bike-Transport und Barrierefreiheit werden wichtiger.

Welche Herausforderungen gilt es bei Umbauten häufig zu bewältigen?

Bei Standseilbahnen ist die Barrierefreiheit in den Stationen ein anspruchsvolles Thema, da wir die Schräge des Fahrzeugs mit einem ebenerdigen Einstieg in Einklang bringen müssen.

Bei Luftseilbahnen fordert uns das zunehmend höhere Gewicht der Kabinen heraus: Eine größere Förderleistung und ein höherer Komfort wiegen eben mehr – und dies gilt es mit der Seilbahntechnik in Einklang zu bringen.

Wir von GARAVENTA und auch die Kabinenhersteller, wie CWA und CARVATECH, setzen daher vermehrt auf Aluminiumkomponenten.

Standseilbahn Monte Brè

Die zwei barrierefreien Fahrzeuge der Standseilbahn Monte Brè in Lugano sind im Retro-Look gestaltet und bieten Platz für 70 Personen.

Fordernd ist sicher auch die Datenlage?

In der Tat fehlen bei alten Anlagen oft Unterlagen oder die Pläne sind fehlerhaft. Auch die Koordinatennetze von Berg- und Talstation sind teils nicht miteinander verbunden. Nicht selten müssen wir Daten nachmessen. Hier hilft uns das umfangreiche GARAVENTA-Archiv mit teils uralten Akten.

Es kommt schon mal vor, dass Betreiber selbst keine Unterlagen mehr haben, wir aber schon. Zudem haben wir sehr erfahrene Experten in den Projektteams – manche in beeindruckend hohem Dienstalter – die bereits zahlreiche Umbauten realisiert haben und viele Anlagen kennen. Die Teams tauschen sich auch untereinander viel aus.

Wie gehen Sie bei einem Retrofit vor?

Die Bergbahnen kommen meist mit einem konkreten Wunsch zu uns, etwa die Steuerung zu ersetzen. Wir blicken dann aber ganzheitlich auf die Anlage und prüfen jedes Teilsystem: Was macht noch Sinn, getauscht zu werden?

Anschließend diskutieren wir mit dem Kunden mehrere Umbauvarianten: Was ist vorhanden, was ist machbar, was ist gewünscht? Sobald wir das alles in Einklang gebracht haben, starten die Design-, Bewilligungs- und Umsetzungsphasen.

Apropos Design: Wer entscheidet, wie die neuen Fahrzeuge aussehen?

Das ist eine kreative Gemeinschaftsleistung des Kunden, des Kabinenbauers und uns als Seilbahnhersteller. Design und Technik müssen zusammenkommen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die kürzlich umgebaute Pendelbahn Grindelwald-Pfingstegg.

Die zwei neuen Kabinen sind ein echter Blickfang: Holz- und Steinoptik, Geranien außen an der Kabine und ein Fotofenster vermitteln den Eindruck, im Chalet auf den Berg zu fahren. Auch der Innenraum wurde stimmig gestaltet:

Klappbare Holzbänke, Wände in Holz- und Steinoptik sowie visuelle Elemente wie ein simuliertes Cheminée mit Feuerbild und Holzlager schaffen eine wohnliche Atmosphäre. Ein Highlight ist für mich die integrierte Deckenbeleuchtung, die einen Sternenhimmel simuliert und je nach Anlass – etwa für Dinner-Fahrten – angepasst werden kann.

Das Design ist das eine, die Umsetzung das andere. Was kann hier herausfordern?

Gerade bei Bestandsanlagen stellt sich oft die Frage, ob die Infrastruktur mit den neuen Anforderungen harmoniert. Kürzlich haben wir zusammen mit CWA neue Fahrzeuge für die Standseilbahn Monte Brè in Lugano geliefert.

Da überprüften wir mehrmals die Geometrie der 117 Jahre alten Schienen, damit unser Fahrwerk auch wirklich passt. Zudem waren wir mit der Projektleitung betraut und durften sämtliche Arbeiten koordinieren.

Wir hatten nur sechs Wochen Zeit für den Umbau – inmitten eines urbanen Umfelds. Entsprechend wichtig waren eine gute Terminplanung und eine detaillierte Absprache mit den Gewerken vor Ort – inklusive dem richtigen Stellplatz für Lkw und Kran.

Spannend war auch, wie gut das getönte Panoramadach und die Kombination von Aktiv- und Passivlüftung funktionieren würden, denn eine Klimaanlage war technisch nicht möglich. Doch bereits die Jungfernfahrt an einem besonders heißen Tag bestätigte die Wirksamkeit der Lösung.

Pendelbahn Elsigbach–Elsigenalp

Um die Betriebsbewilligung zu erneuern, bekam die Pendelbahn Elsigbach–Elsigenalp neue Kabinen und verstärkte Stützen.

Welche Rolle spielt die Konzession bei Umbauten von Seilbahnen?

In der Schweiz ist das nahende Ende einer Konzession nur selten der ausschlaggebende Grund für einen Umbau, trotzdem gibt es das immer wieder, zuletzt bei der Pendelbahn Elsigbach-Elsigenalp.

Die Anlage in Frutigen im Berner Oberland – 1985 von GARAVENTA gebaut – wurde genau aus diesem Anlass technisch auf den neuesten Stand gebracht.

Das Retrofit-Projekt umfasste unter anderem neue, moderne Kabinen von CARVATECH, automatische Bahnsteigtüren für mehr Komfort und Sicherheit, sowie umfassende Arbeiten an den Stützen.

Zusätzlich wurden die Türen mit automatisierter Videoüberwachung ausgestattet. Damit können die Mitarbeiter die Bahn auch von der Talstation aus bedienen.

Wir sehen – auch hier wurde aus einem ursprünglich notwendigen Umstand eine Chance für mehr Komfort, Bedienerfreundlichkeit und Design!

Interview: Thomas Surrer