Technik als Grundlage: Mensch wird wichtiger

SI-Experte Domenico Bergamin schreibt über den Wandel im Service und die Rolle digitaler Prozesse im Tourismus. Wie gehen wir mit Gästen und Mitarbeitern richtig um?

Service neu gedacht

Service am Gast bedeutet längst nicht automatisch, dass eine direkte Mensch-zu-Mensch-Interaktion stattfinden muss. Servicequalität lässt sich vielfach dort verbessern, wo digitale Prozesse dem Gast Aufwand und Zeit sparen – etwa bei der Onlinebuchung oder beim Check-in.

In meiner letzten Kolumne habe ich dargelegt, warum ich die zunehmende Automatisierung als Chance für serviceorientierte Branchen sehe. Digitalisieren sollte dort erfolgen, wo Effizienz, Komfort oder Sicherheit gestärkt werden – und Ressourcen frei werden für das, was zwischenmenschlich zählt.

Gastfreundschaft bleibt Kernkompetenz

Im alpinen Tourismus liegt hier eine besondere Stärke, die wir zu oft vergessen und noch viel häufiger als selbstverständlich ansehen: die Gastfreundschaft. Gäste betreuen, beherbergen, verpflegen, versorgen – Gastgeber sein.

Mehr Zeit für den Gast an der Talstation, im Restaurant oder am Welcome-Desk. Die Arbeitsorte ändern sich mit der digitalen Transformation kaum; das Aufgabenfeld hingegen schon. Am Bergbahnschalter nicht mehr möglichst schnell viele Tickets verkaufen, damit die Schlange kürzer wird.

Sondern präsent sein und Zeit haben, wenn der Bedarf nach Information oder Unterstützung entsteht.

Willkommen heißen, betreuen, begleiten – das erfordert ein anderes Skill-Set: auf Menschen zugehen, sich mit ihnen austauschen, Freude daran haben, dass sie einen unvergesslichen Skitag, Restaurantbesuch oder Hotelaufenthalt erleben.

Domenico Bergamin

Tourismusberater
Mail: domenicobergamin.ch

Fordernde junge Generation

Berichte über die Generation Z fallen oft kritisch aus. Mangelnde Leistungsbereitschaft, wenig Ausdauer oder eine erhöhte Sprunghaftigkeit werden regelmäßig thematisiert. Ebenso häufen sich gemäß Studien Hinweise auf eine zunehmende Unsicherheit in sozialen Situationen – nicht immer fundiert, oft zugespitzt (Googeln Sie mal „GenZ hat Angst vor dem Tanken“).

Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern solche Entwicklungen die Serviceberufe beeinflussen. Wenn Tätigkeiten, die Nähe, Empathie und Kommunikation erfordern, an Bedeutung gewinnen, wächst damit auch die Sorge, ob künftig ausreichend junge Menschen bereit und befähigt sind, diese Rollen auszufüllen.

Die eigentliche Herausforderung sieht Tischhauser darin, jene jungen Menschen anzusprechen, die genau in dieser Form der Gastfreundschaft Erfüllung finden könnten – und ihnen Rahmenbedingungen zu bieten, die einen Verbleib in der Branche attraktiv machen.

©Unsplash

Strategien, um Nachwuchs zu gewinnen

Marc Tischhauser, Geschäftsführer von GastroGraubünden, relativiert die verbreiteten Zuschreibungen an die Generation Z deutlich: „Solche Pauschalurteile lassen sich nicht auf eine ganze Generation übertragen. In unserer Branche arbeiten viele hochmotivierte, ambitionierte und leistungsbereite junge Menschen.“

Der Branchenverband richtet die Weiterentwicklung der Berufsbildung deshalb zunehmend auf Kompetenzen aus, die an Bedeutung gewinnen – etwa Empathie, kommunikative Fähigkeiten und emotionale Intelligenz.

Gerade darin liegt für viele Nachwuchskräfte ein zentraler Anreiz. Die Sinnhaftigkeit, die sie in ihrer Arbeit suchen, ist in der Dienstleistungsbranche oft unmittelbar erfahrbar:

„Unsere Aufgabe ist es, Menschen schöne Momente zu bereiten – und die schönsten erlebt man häufig in der Gastronomie: Hochzeiten, Geburtstage, Familienfeste, das erste Date usw.“

Die eigentliche Herausforderung sieht Tischhauser darin, jene jungen Menschen anzusprechen, die genau in dieser Form der Gastfreundschaft Erfüllung finden könnten – und ihnen Rahmenbedingungen zu bieten, die einen Verbleib in der Branche attraktiv machen.

Fazit: Zwischenmenschlichkeit bleibt Kern des Tourismus

Die Zukunft des Tourismus entscheidet sich nicht an der Frage, ob digitale Lösungen menschliche Arbeit ersetzen können. Sie entscheidet sich daran, wo Menschen weiterhin unverzichtbar bleiben – und wo sie sogar an Bedeutung gewinnen.

Es gibt junge Menschen, die genau darin Sinn finden – im Gestalten von Momenten, im Begegnen, im Zuhören, im Ermöglichen positiver Erfahrungen. Damit dieses Potenzial sichtbar wird und wirksam werden kann, müssen Tätigkeiten so gestaltet sein, dass Mitarbeitende ihre sozialen und kommunikativen Stärken
einbringen können.

Wer es schafft, diesen Raum zu bieten, gestaltet nicht nur attraktive Arbeitsplätze, sondern legt auch den Grundstein für die Servicequalität, die den alpinen Tourismus langfristig trägt.