
Stadt
Mobilitätssekretärin von Bogotá: Sieben Seilbahnen wären nötig
SI Urban: Inwiefern hat die Seilbahn das Leben der Bürger verbessert, abgesehen vom optimierten Zugang zum öffentlichen Nahverkehr?
Claudia Díaz: Die Seilbahn wirkt vor allem sozial. Das Viertel Ciudad Bolívar lag zuvor am Stadtrand und war wie eine versteckte Gemeinde: Niemand wusste wirklich viel darüber oder wie man dorthin gelangt. Die Seilbahn rückte den Stadtteil ins Rampenlicht und schuf ein Gemeinschaftsgefühl.
Die Bürger begannen, ihre Nachbarschaften rund um die Stationen zu verschönern und zu zeigen: „Wir sind hier, wir kümmern uns um unsere Gemeinschaft, und wir wollen, dass ihr uns besucht.“
Öffentliche Verkehrsprojekte dienen also nicht nur dazu, Menschen zu bewegen, sondern Menschen zu verbinden. Die Seilbahn hat das Gemeinschaftsgefühl entlang der Strecke eindeutig gestärkt.
Claudia Díaz
Auf Instagram zeigen Sie, wie Sie die Seilbahn persönlich nutzen. Warum?
Tatsächlich bin ich sehr stolz auf das Projekt, und in diesem Fall auch der Verkehrs- und Mobilitätssektor. Dank dieser Seilbahn – der ersten in der Stadt – konnten wir zeigen, wie wir sozial inklusivere Projekte schaffen können.
Wenn wir Veranstaltungen vom Verkehrsministerium organisieren, denken wir: „Warum sollen die Events nicht in Ciudad Bolívar stattfinden?“ Wir wollen alle Gäste ermutigen, zur Station zu kommen, das Schnellbussystem (BRT) zu nutzen und dann auf die Seilbahn umzusteigen.
Wir versuchen jetzt präsent zu sein, zu zeigen, dass in Ciudad Bolívar etwas passiert und dass es ein Ort ist, den man besuchen sollte. Wir gehen mit gutem Beispiel voran: Wir gehen dorthin, arbeiten dort, halten Meetings ab und sogar der Bürgermeister engagiert sich.
TransMiCable
verbindet seit dem 27. Dezember 2018 den steilen, einkommensschwachen Stadtteil Ciudad Bolívar mit dem Schnellbussystem von Bogotá.
Wie ist die Seilbahn in das städtische Verkehrssystem integriert? Gibt es ein Ticket, das zum Beispiel Busse, Züge und die Seilbahn abdeckt?
Ja, sie ist zu 100 % integriert. Es gibt nur ein Ticket, das für einen Zeitraum von 125 Minuten gültig ist. Man bezahlt nur einmal, egal ob man das BRT-System, die Seilbahn oder beides nutzt. Es ist keine doppelte Bezahlung nötig.
Innerhalb dieser 125 Minuten kann man bis zu zwei Mal kostenlos umsteigen. Zum Beispiel kann man die Seilbahn nehmen, dann in das BRT-System umsteigen und schließlich in einen regulären Bus, der im Mischverkehr fährt – alles mit demselben Ticket. Unser öffentliches Verkehrssystem ist also vollständig vernetzt und komplett integriert.
Wie viele Menschen nutzen TransMiCable aktuell täglich und jährlich?
Das System bedient täglich etwa 30.000 Nutzer, was jährlich rund 8 Millionen Fahrten entspricht.
Sind diese Zahlen seit der Eröffnung des Projekts gestiegen?
Im vergangenen Jahr gab es im Vergleich zu 2023 einen durchschnittlichen Anstieg von etwa 8 Prozent. Seit der Eröffnung ist die Seilbahn sehr beliebt geworden – fast jeder in der Umgebung nutzt sie jetzt, weil die Fahrt von oben nach unten nur etwa 18 Minuten dauert. Sie war von Anfang an sehr attraktiv.
Die Seilbahn ist in das Einzelticketsystem integriert:
Das Ticket ist für einen Zeitraum von 125 Minuten gültig. Man bezahlt nur einmal, egal ob man den Bus, die Seilbahn oder beides nutzt.
Es gibt viele Vorteile bei der Nutzung der Seilbahn, aber manchmal führen Infrastrukturverbesserungen zu steigenden Immobilienpreisen in den betroffenen Gebieten.
Ciudad Bolívar ist seit dem Bau der Seilbahn ein besserer Ort zum Leben geworden. Sind auch die Lebenshaltungskosten, wie zum Beispiel die Wohnungspreise, in diesem Gebiet gestiegen?
Ich denke nicht. Ciudad Bolívar ist noch immer ein einkommensschwaches Gebiet, nur dass die Menschen jetzt stolz auf ihre Nachbarschaft sind. Sie streichen Wände und machen die Gegend sowohl für Besucher als auch für Einwohner attraktiver.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Immobilienpreise gestiegen sind. Ich würde sagen, die Preise sind ungefähr gleich geblieben. Deshalb glaube ich nicht, dass das Seilbahnprojekt zu Gentrifizierung geführt oder Menschen verdrängt hat.
Manchmal ziehen langjährige Bewohner weg, wenn neue Projekte kommen, weil sie sich die steigenden Kosten nicht leisten können, aber das ist in Ciudad Bolívar nicht der Fall.
Gab es seit der Eröffnung größere Updates oder Wartungsarbeiten an der Seilbahn?
Wir führen tägliche Wartungen durch sowie wöchentliche, monatliche und jährliche Kontrollen. Das System wird ständig überwacht. Jeden Tag vor der Öffnung für die Fahrgäste wird ein vollständiger Test durchgeführt, um sicherzustellen, dass alles reibungslos funktioniert.
Wenn alles in Ordnung ist – was normalerweise der Fall ist – läuft das System wie gewohnt. Es geht also vor allem um kontinuierliche Überwachung und regelmäßige Wartung der Systemkomponenten.
TransMiCable hat die Fahrzeit für die Bewohner von Ciudad Bolívar um etwa 20 Minuten verkürzt.
Wie wurde das Projekt finanziert und wird erwartet, dass sich die Investition amortisiert?
Das Projekt wurde durch eine Kombination aus lokalen und internationalen Quellen finanziert. Wir erhielten Unterstützung von der International Finance Corporation, einem Mitglied der Weltbankgruppe. Die Stadt sicherte sich ein Darlehen über 30 Millionen US-Dollar als Teil eines größeren Pakets für den öffentlichen Nahverkehr, und etwa 8 Millionen US-Dollar kamen aus nationalen Mitteln speziell zur Finanzierung der Seilbahn.
Die Amortisation der Investition ist kompliziert. Der Tarif, den die Nutzer zahlen, deckt nicht vollständig die tatsächlichen Kosten, da viele sich den vollen Preis nicht leisten können. Es besteht eine Lücke zwischen den realen Kosten und dem, was die Fahrgäste zahlen, daher wird das System subventioniert.
Das ist Teil der allgemeinen Politik für den öffentlichen Nahverkehr in Bogotá, nicht nur für die Seilbahn. Tatsächlich subventioniert die Stadt etwa 52 Prozent der realen Kosten, während die Fahrgäste nur etwa 48 Prozent übernehmen.
Wenn man jedoch alle sozialen Vorteile berücksichtigt – wie verkürzte Reisezeiten, verbesserte Lebensqualität und allgemeines Wohlbefinden – kann man sagen, dass sich das Projekt sozial rentiert, auch wenn es finanziell eine Lücke gibt. Die Stadt erkennt diese Subvention an und plant, sie auch weiterhin aufrechtzuerhalten.
Gibt es Pläne für neue Seilbahnen in Bogotá?
Wir haben zwei neue Seilbahnen in Planung. Eine soll, wenn alles nach Plan läuft, im Februar 2026 in Betrieb gehen. Sie wird in einem anderen Stadtteil mit ähnlichen Merkmalen wie Ciudad Bolívar liegen – San Cristóbal, das ebenfalls auf einem Hügel liegt und vor sozialen sowie Mobilitätsherausforderungen steht. Die zweite wird in Potosí, ebenfalls in Ciudad Bolívar, gebaut. Der Betriebsstart ist für Januar 2027 angesetzt, sofern auch hier alles läuft nach Plan läuft.
Bauarbeiten an der Seilbahn im Gebiet San Cristóbal.
© Instituto de Desarrollo Urbano
Könnten Sie uns bitte einige Details zur Seilbahn San Cristóbal nennen?
San Cristóbal befindet sich derzeit im Bau. Die Seilbahn wird 2,8 Kilometer lang sein und drei Stationen haben: 20 de Julio, La Victoria und Altamira.
Wir erwarten, dass sie mehr als 400.000 Menschen aus dem Südosten der Stadt zugutekommt, mit einer täglichen Kapazität von rund 34.000 Fahrgästen – etwa 4.000 Personen pro Stunde.
Der Bau ist derzeit zu 63 Prozent abgeschlossen, und wir erwarten, dass die Seilbahn im Februar 2026 in Betrieb genommen wird.
Die Kosten werden auf etwa 80 Millionen US-Dollar geschätzt. Ungefähr 420 Menschen aus der Region arbeiten an dem Projekt.
Visualisierung der Station „La Victoria“ an der Seilbahn San Cristóbal.
Wie ist der Stand beim Seilbahn-Projekt Potosí?
Die zweite Seilbahn, Potosí, wird in Ciudad Bolívar liegen. Aktuell befinden wir uns im Ausschreibungsverfahren. Die Strecke wird 3,3 Kilometer lang sein, und wir erwarten, dass sie bis Januar 2027 fertiggestellt ist.
Besteht neben den derzeit bestehenden oder geplanten Seilbahnen noch Bedarf an weiteren Seilbahnen in Bogotá?
Gemäß unseren Richtlinien und den langfristigen Plänen der Stadt haben wir insgesamt sieben Seilbahnprojekte identifiziert, einschließlich der bereits erwähnten drei.
Aufgrund der Geografie und der Erreichbarkeit der Stadt, besonders in den Randgebieten, gelten Seilbahnen als effizientere und effektivere Lösung im Vergleich zu regulären Bussen, die bergauf und bergab fahren.
Diese Regierung hat eine Amtszeit von vier Jahren, die 2024 begann und im Dezember 2027 endet. In diesem Zeitraum verpflichten wir uns, zwei weitere Seilbahnen in die Stadt zu bringen. Es gibt jedoch bereits Pläne, in den kommenden Jahren noch weitere zu entwickeln.
Was ist mit dem Zeitraum „in den kommenden Jahren“ gemeint?
Das hängt von der Priorisierung ab. Wichtig ist jedoch, dass diese Projekte bereits in unseren Richtlinien und langfristigen Stadtplänen enthalten sind. Der Zeitplan wird auch vom städtischen Haushalt und den verfügbaren Mitteln abhängen.
Die aktuelle Regierung, für die ich arbeite, hat sich dazu verpflichtet, zwei Seilbahnen zu bauen und das notwendige Budget bereits dafür bereitgestellt.
Technische Daten:
Seilbahn San Cristóbal
Investition: | 80 Millionen USD |
Streckenlänge: | 2,87 km |
Fahrzeit: | 10 Min |
Anzahl der Stationen: | 3 |
Anzahl der Stützen: | 21 |
Anzahl der Kabinen: | 144 |
Kabinenkapazität: | 10 Personen |
Förderungskapazität: | 4.000 Personen/ Stunde/Richtung |
Eröffnungsdatum: | Februar 2026 |
Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung und Planung von Seilbahnprojekten?
Eine der Haupt-Herausforderungen – nicht nur bei Seilbahnen, sondern auch bei anderen Projekten — ist der Erwerb des für den Bau benötigten Grundstücks und die Verhandlungen mit den derzeitigen Eigentümern. Es ist entscheidend, diese Vereinbarungen vor Baubeginn abzuschließen.
Idealerweise sollte man das Land im Vorfeld besitzen, um Verzögerungen zu vermeiden und den Bau reibungslos voranzutreiben. Wenn solche Absprachen nicht rechtzeitig getroffen werden, können sie während der Bauphase zu großen Hindernissen werden.
Eine weitere Herausforderung – aber auch eine Chance – ist, die Seilbahn nicht nur als öffentliches Verkehrsprojekt zu sehen.
Wir wollen eine Gemeinschaft um die Anlage schaffen. Dazu müssen wir soziale Prozesse einbeziehen und die Bedürfnisse der Gemeinschaft verstehen. Das beinhaltet die Frage, welche Dienstleistungen die Stadt rund um die Seilbahn-Stationen anbieten sollte, nicht nur den Fokus auf den Transport.
Zum Beispiel beinhaltet jede Seilbahnstation in Ciudad Bolívar Gemeinschaftsdienste wie Kindergärten, damit Mütter ihre Kinder dort lassen und arbeiten gehen können.
Wie sehen Sie die Zukunft des urbanen Verkehrs und welche Rolle werden Seilbahnen darin spielen?
Ich glaube, die Zukunft des urbanen Verkehrs liegt in Inklusion und Gerechtigkeit – es geht nicht nur darum, Menschen von A nach B zu bringen, sondern ihre gesamte Erfahrung zu verbessern. Es geht darum, verletzte und isolierte Gemeinschaften anzubinden, die oft keinen Zugang zum öffentlichen Verkehr haben.
Der Fokus sollte auf dem menschlichen Aspekt liegen: Unsichtbares sichtbar machen, indem wir diejenigen identifizieren, die aktuell unterversorgt sind, und sie ins System integrieren. Unser Ziel ist es, Lösungen zu bieten, die wirklich den Bedürfnissen der Bedürftigsten gerecht werden, und so bessere Konnektivität und Infrastruktur für alle sicherzustellen.