Kein Wohnraum – kein Personal

Der fehlender Wohnraum ist im alpinen Tourismus der häufigste Grund für Absagen bei der Rekrutierung von Mitarbeitern. Das ist die Essenz des 9. Branchentalk Tourismus in Interlaken. Die über 80 Touristiker und Investoren gewannen aber noch andere Erkenntnisse.

Seit neun Jahren treffen sich rund 80 CEO und CFO von Schweizer Tourismusunternehmen und Investoren am Branchentalk Tourismus. Dieser findet stets in einer touristischen Destination statt, heuer in Interlaken.

Veranstalter ist die Finanzplattform schweizeraktien.net. In diesem Jahr stand das Thema Personalmangel und fehlender Wohnraum in touristischen Regionen im Fokus.

Hockkarätiges Treffen

Über 80 CEO und CFO von touristischen Unternehmen fanden sich im Saal Orangerie des Victoria-Jungfrau zusammen, um über Personalmangel und fehlenden Wohnraum zu diskutieren.

Strukturelles Problem

So boomt zwar der Tourismus in den Bergregionen. Doch zu schaffen macht der Branche seit dem Ende der Corona-Pandemie der Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden.

Markus Wolf, CEO der Weisse Arena-Gruppe in Laax, machte am Branchentalk Tourismus deutlich, dass es sich dabei um ein strukturelles Problem handelt.

Bedingt durch die Demografische Entwicklung in der Schweiz würden in den kommenden Jahren weniger Menschen ins Arbeitsleben eintreten, als aus ausscheiden.

Da in den klassischen Zuwanderungsländern Deutschland, Österreich, Spanien und Portugal die demografische Lage ähnlich sei, könne man die Lücke nicht durch Fachkräfte aus dem Ausland schließen.

Peter Egger, Intersport Rent-Network, und Christoph Seiler, CFO Jungfraubahn.

Raphael Krucker, CEO Andermatt Swiss Alps, Markus Wolf, CEO Weisse Arena

Bewerbungstage und Gondelgespräche

Im Rahmen der Konferenz im Victoria-Jungfrau Grandhotel in Interlaken zeigten neben Markus Wolf auch Urs Kessler, CEO der Jungfraubahnen, und Raphael Krucker von Andermatt Swiss Alps ihre Strategien zur Mitarbeiterrekrutierung auf.

Dazu gehören nicht nur ein umfassendes «Employer Branding» und attraktive Leistungen, sondern auch ein hohes Maß an Wertschätzung, das den Bewerberinnen und Bewerberinnen bereits zu Beginn des Rekrutierungsprozesses entgegenbracht wird.

Andermatt Swiss Alps lädt sogar zu zweitägigen Bewerbungstagen ein. Die Gespräche werden während einer Gondelfahrt durchgeführt.

Über den Branchentreff Tourismus 2023

Zum 9. Mal veranstaltete schweizeraktien.net den Branchentalk Tourismus. In diesem Jahr fand der Anlass im Berner Oberland statt. Der Start der Konferenz erfolgte auf 2.320 Meter über Meer. Referenten und Investoren trafen sich zu einem Dinner im Restaurant Eigergletscher.

Empfangen wurden die 30 Gäste in der Platinum Lounge im Grindelwald Terminal von Urs Kessler, dem CEO der Jungfraubahn Gruppe. Anschliessend führte Kessler die Gäste „Hinter die Kulissen“ des Grindelwald Terminal, bevor sie in einer Sonderfahrt mit der V-Bahn in 15 Minuten zur Station Eigergletscher fuhren.

Dort wartete ein Abendessen auf die Gäste sowie ein Gespräch mit Johann Kaufmann. Der Bergführer und CEO der Outdoor Switzerland AG sprach über die Faszination der Eigernordwand, seine Erfahrungen beim Dreh des 2008 erschienenen Kinofilms Nordwand und Rettungseinsätze im Hochgebirge.

Am nächsten Tag trafen sich am Vormittag Vertreter von sechs börsenkotierten Tourismusfirmen und Investoren zu einem Investoren-Meeting im Victoria-Jungfrau Grandhotel, bevor am Nachmittag rund 90 Touristiker über das Schwerpunktthema Personalmangel und den fehlenden Wohnraum in touristischen Regionen sprachen.

Wohnungen als Aufgabe für Bergbahnen

Doch die größten Bemühungen um neues Personal bringen offenbar nichts, wenn die Jobsuchenden keinen bezahlbaren und dennoch attraktiven Wohnraum in der Region finden. Dies wurde in der anschließenden Diskussion deutlich.

Fehlender Wohnraum sei der häufigste Grund für Absagen, waren sich die Referenten einig. Diskutiert wurde auch, ob die Bereitstellung von Wohnraum eine öffentliche oder privatwirtschaftliche Aufgabe ist.

Für die Jungfraubahnen steht jedenfalls fest, dass sie das Problem als führendes Tourismusunternehmen in der Region selbst in die Hand nehmen wird. Andermatt Swiss Alps bietet heute schon Wohnungen aus ihrem Vermietungsportfolio auch für Mitarbeitende an.

Maxim Mejenim und René Koller, Sörenberg Bergbahnen

Stefan Schulthess, CEO SGV Holding und David Küng, CFO Pilatus Bahnen AG.

Wohnraum wird oft entzogen

Deutlich wurde auch, dass durch den gewinnbringenden Verkauf sogenannter altrechtlicher Wohnungen in Tourismusregionen dem Markt bezahlbarer Wohnraum entzogen wird.

Prof. Christine Seidler von der FH-Graubünden zeigte an einem Beispiel auf, wie sich gerade durch eine sinnvolle Umnutzung solcher Gebäude neuer Wohnraum schaffen lässt.

Einig waren sich die Teilnehmenden am Schluss, dass eine enge Zusammenarbeit von Gemeinden sowie öffentlichen und privaten Liegenschaftsbesitzern notwendig ist, um das Wohnraumproblem zu lösen. Auch für Investoren könnten sich so neue Anlagemöglichkeiten ergeben.