Europa, Kolumbien, China & Co.: Urbane Seilbahnen auf der UITP

Wie wurde die erste in China entwickelte und gebaute Seilbahn zum Kulturerbe? Wie hat sich der Wartungsservice nach dem Start des Projekts in Medellín, Kolumbien verändert? Warum ist es in Deutschland noch so schwierig, Seilbahnen in Städte zu bringen? Delegationen aus verschiedenen Ländern stellten auf der Messe UITP Projekte vor – und sprachen offen über Herausforderungen und Learnings auf dem Weg.

Vom 15. bis 18. Juni 2025 fand in Hamburg der UITP Summit statt – über 10.000 Fachleute aus dem öffentlichen Personennahverkehr aus mehr als 100 Ländern kamen zusammen, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und neue Impulse zu bekommen. Das Thema urbane Seilbahnen wurde dabei sowohl von Delegationen aus verschiedenen Ländern als auch von Herstellern vertreten.

Deutschland: Noch auf dem Weg zu urbanen Seilbahnen

Die Session mit dem Titel „Cable Cars: A realistic Solution for urban transport?“ eröffnete Dominik Berndt, CEO der Cable Car World GmbH. Er begann die Sitzung mit einer offenen Frage: Warum ist es in Europa und besonders in Deutschland so schwierig, Seilbahnen in die Städte zu bringen? Laut Berndt gibt es viele Gründe:

  • Kein standardisierter Planungsprozess – jeder ist noch ein Pionier.
  • Komplexe Interessenslandschaft – unklare Regeln und Möglichkeiten.
  • Unklare Integration in den öffentlichen Verkehr – besonders bei privaten Betreiber-Modellen.
  • Hohe Erwartungen treffen auf wenig Erfahrung – das Momentum ist durch die geringe Erfahrung gefährdet.

Auf dem Foto:

  • Marie Cleuet, Consulting Manager, Systra
  • Tomás Andrés Elejalde Escobar, General Manager der Metro de Medellín, Kolumbien
  • Lei Wei, General Manager der Cableway-Abteilung der Chongqing Public Transport Operation Co., Ltd.
  • Dominik Berndt, CEO der Cable Car World GmbH

Eine Lösung für diese Probleme könnte sein: frühzeitige Abstimmung aller Beteiligten, Betonung der Integration in die tägliche Mobilität sowie Lernen aus den Erfahrungen erfolgreicher Projekte – unterstützt durch nationale Rahmenbedingungen.

Medellín, Kolumbien: Wartungsservice im Wandel

Im Anschluss an die Session stellte Tomás Andrés Elejalde Escobar, General Manager der Metro de Medellín (Kolumbien), das Projekt Metrocable vor – ein Seilbahnsystem, das seit 2004 erfolgreich betrieben und kontinuierlich weiterentwickelt wird.

In Medellín ergänzt die Seilbahn das städtische Metrosystem. Sie wurde konzipiert, um schwer zugängliche informelle Siedlungen an den steilen Hängen der Stadt zu erschließen. Zwischen 2004 und 2021 wurden sechs Linien in Betrieb genommen, die heute täglich von Tausenden Menschen genutzt werden.

Im Hinblick auf die Herausforderungen, mit denen die Stadt im Laufe der Jahre konfrontiert war, betonte Elejalde Escobar, dass urbane Seilbahnen im Vergleich zu touristischen deutlich komplexere Wartungsroutinen erfordern.

In Medellín ist das Seilbahnsystem an rund 350 Tagen im Jahr in Betrieb – mit einer täglichen Betriebszeit von 19 Stunden, was 79,17 Prozent der gesamten Jahreszeit entspricht. Weitere 4,17 Prozent entfallen auf die vorbereitende Betriebsbereitschaft („pre-operational time“).

Zudem haben sich im Laufe der Zeit die Wartungsarten und -umfänge an der Linie K, der ersten 2004 eröffneten Linie, weiterentwickelt (siehe Grafik unten).

Betrieb und Instandhaltung der ersten Metrocable-Linie in Medellín

Präsentationsfolie von Tomás Andrés Elejalde Escobar, Generaldirektor der Metro de Medellín.

China: Morgens für Pendler, mittags für Touristen

Die chinesische Millionenstadt Chongqing teilte auf der UITP ihre Erfahrungen darüber, wie eine ursprünglich rein urbane Seilbahn heute erfolgreich eine Doppelfunktion erfüllt – sowohl im Alltagsverkehr als auch im Tourismus.

Chinas erste komplett im eigenen Land entwickelte, gebaute und in Betrieb genommene Pendelbahn wurde bereits 1987 eröffnet. Seitdem befördert sie täglich Fahrgäste zwischen mehreren Stadtteilen über den Fluss – und erfreute sich von Anfang an großer Beliebtheit.

Doch die Stadtverwaltung wollte das volle Potenzial der Anlage ausschöpfen und hat die Bahn seit 2014 gezielt für touristische Zwecke weiterentwickelt. Heute gilt sie als eines der Highlights Chongqings und bietet Besucher:innen ein einzigartiges Erlebnis: eine spektakuläre Fahrt über den Fluss – zwischen Hochhäusern hindurch.

Die Seilbahn in Chongqing:

  • Gesamtlänge: 1.166 Meter
  • Höhenunterschied: 47 Meter
  • Betriebsgeschwindigkeit: 6 m/s
  • Fahrzeit in eine Richtung: ca. 4 Minuten
  • Kabinenkapazität: 65 Fahrgäste + 1 Bediener
  • Ausgelegte Einweg-Beförderungskapazität: 12.000 Personen pro Tag

Paris: Ein Vorzeigeprojekt Europas

Große Aufmerksamkeit in der Seilbahnbranche, insbesondere von Vertretern aus Europa, galt auf der UITP der Präsentation der urbanen Seilbahn in Paris, die im Dezember 2025 eröffnet werden soll.

Derzeit befindet sich das Projekt in der Endmontagephase. Es laufen die ersten Test- und Einstellarbeiten an der Anlage, danach folgen die Erprobung und die behördliche Abnahme. Die ersten Kabinen sind bereits auf der Strecke unterwegs und haben bereits mehrere Fahrten absolviert.

Der Hersteller, die Doppelmayr-Gruppe, bezeichnet das Projekt als Role Model für die präzise Planung und die nahtlose Integration in bestehende Verkehrsstrukturen.

Das Doppelmayr-Team auf der UITP:

Martina Leitner, Wolfram Auer, Reinhard Fitz, Benedikt Prinzing.

„Die Seilbahn in Paris zeigt eindrucksvoll, dass nicht das System allein zählt, sondern die nahtlose Integration in das gesamte Mobilitätssystem. Öffentlicher Verkehr braucht Verlässlichkeit, integrierte Abläufe und eine barrierefreie Nutzung, um attraktiv zu bleiben. Genau das wurde in Paris exzellent umgesetzt“, erklärt Reinhard Fitz, Head of International Business Development bei Doppelmayr Seilbahnen GmbH.

Er betont die Bedeutung, das Gesamtbild im Blick zu behalten und offen für verschiedene Möglichkeiten zu sein:

„Das ist meine Botschaft an alle öffentlichen Behörden, Verkehrsinstitutionen und Auftraggeber von Verkehrsanalysen und -studien: Offen zu sein für alle Möglichkeiten, um keine Chancen für die Zukunft zu verbauen oder etwas grundsätzlich auszuschließen, obwohl es möglich wäre. Ein Vergleich der verschiedenen Optionen sollte immer stattfinden können.“

HTI Gruppe: Konzept für städtische Seilbahnkabinen

POMA und LEITNER präsentierten gemeinsam ein neues Konzept für städtische Seilbahnkabinen. Am Stand war eine Variante des „Diamond“-Modells zu sehen – diesmal in einer urbanen Ausführung für 16 Personen.

„Normalerweise kommen in städtischen Anwendungen eher 10-Personen-Kabinen zum Einsatz“, erklärt Matthias Nothdurfter aus dem Marketingteam von LEITNER. „Aber dieses Modell ist etwas Besonderes und zeigt sehr gut, wie flexibel Kabinen für den urbanen Raum angepasst werden können.“

Ein praktisches Detail: Die Sitze lassen sich hochklappen, sodass Platz für Rollstühle, Fahrräder oder Kinderwagen entsteht. Trotz der größeren Breite bleibt die Kabine für Einseilumlaufbahnen geeignet.

Die HTI-Gruppe auf der UITP:

Carole Mancini, Matthias Nothdurfter, Guillaume Ployon, Fabien Felli, Arnold Rieder, Benjamin Fauchier-Delavigne.

MND: Debüt auf der UITP

Der französische Industriekonzern MND war in diesem Jahr erstmals mit einem eigenen Stand auf der UITP-Messe vertreten. Das Unternehmen zeigte eine 20-Sitzplatz-Kabine, die sich sowohl für den städtischen Verkehr als auch für den touristischen Einsatz eignet.

Die Kabine ist mit Informationsbildschirmen ausgestattet, die wichtige Fahrgastinformationen anzeigen. Breite Schiebetüren erleichtern den Ein- und Ausstieg und machen die Nutzung im urbanen Umfeld besonders praktisch.

„Wir sehen großes Potenzial im urbanen Bereich“, sagt Xavier Marcou, Leiter Marketing und Kommunikation bei MND. „Natürlich bleiben Bergregionen für uns wichtig – sie gehören zu unserer DNA. Aber in Städten gibt es immer mehr Herausforderungen wie Platzmangel und hohe Verkehrsbelastung. Seilbahnsysteme können hier eine sinnvolle Ergänzung sein.

Das MND-Team auf der UITP.

Der französische Konzern war in diesem Jahr erstmals mit einem eigenen Stand auf der UITP-Messe vertreten.