Ausgabe, SI 2/2018, SI-Alpin
Mountainkart im Allgäu
Eine Steile Geschichte
Mit mehr als 35 Prozent Gefälle ist die MOUNTAINCART-Strecke der Hörnerbahn eine steile Angelegenheit. Doch auch der Erfolg der Allgäuer Ganzjahresattraktion ist schwindelerregend.
Die steile Geschichte der Mountaincarts im Allgäu begann mit dem Wunsch der Hörnerbahn, eine Ganzjahresattraktion anzubieten. Das benachbarte Skigebiet Ofterschwang-Gunzesried bot ihren Gästen im Sommer Downhill-Roller an. Doch für die Downhill-Roller war die Strecke der Hörnerbahn mit mehr als 35 Prozent Gefälle zu gefährlich. Die Lösung? Mountaincarts! „Die ersten Testfahrten auf dem Messegelände der INTERALPIN und auf unserer eigenen Strecke haben uns sofort vom Produkt der Herstellerfirma MOUNTAINCART überzeugt“, berichtet Martin Fahr, stellvertretender Betriebsleiter der Hörnerbahn.
Durch die Dreipunkt- Auflage, den tiefen Schwerpunkt und die hocheffizenten hydraulischen Bremsen sind die Mountaincarts sicherer als die umkippbaren Downhill-Roller. Denn die 3,5 Kilometer lange Strecke in der Gemeinde Bolsterlang hat es in sich: Zwölf Kurven – darunter drei scharfe Biegungen und zwei Kehren – sowie ein durchschnittliches Gefälle von zwanzig Prozent machen die raue Teerstraße zu einer span-nenden Abfahrt. „An seiner steilsten Stelle weist der Wirtschaftsweg sogar ein Gefälle von mehr als 35 Prozent auf“, berichtet Fahr. Die Strecke überwindet 640 Höhenmeter und bietet einen guten Blick auf die Allgäuer Alpen.
Großer Erfolg – auch ohne Werbung
Nach schwierigen Verhandlungen mit Grundstückseigentümern und der Gemeinde ging die Strecke 2016 mit zehn Mountaincarts in den Probebetrieb. „Wir schätzten den Zuspruch konservativ ein und warben nicht für die neue Attraktion. Trotzdem wurden die Mountaincarts schnell zu einem Publikumsrenner, sodass wir sofort um fünf Fahrzeuge aufstocken mussten“, staunt Fahr. Mittlerweile fahren 32 Carts von der Berg- bis zur Talstation, die Bergbahn verzeichnet rund 80 Fahrten pro Tag, der Rekord liegt bei 145 Fahrten.
Die Mountaincarts haben sich somit zu einem finanziell starken Zubrot für die Bergbahn entwickelt, wie der stellvertretende Betriebsleiter bestätigt: „Die Attraktion trägt sich ab zwanzig Fahrten pro Tag selbst, darüber hinaus besitzt sie einen hohen Werbewert“, so Fahr. Zunehmend kämen die Gäste bereits mit Fahrradhelm, um explizit mit den Mountaincarts zu fahren.
Zielgruppe? Einfach Alle!
Anfangs rechnete die Hörnerbahn mit einer Zielgruppe im Alter von sechs bis 40 Jahren, doch schnell zeigte sich, dass Mountaincarts für Menschen aller Altersgruppen interessant sind „Die einfache, leicht händelbare Bedienung lockt auch Senioren hinter das Steuer, selbst eine Gruppe mit geistig beeinträchtigten Menschen fuhr bei uns schon ohne Probleme“, erzählt Fahr. Die Menschen schätzen, dass sie selbst Lenkung und Geschwindigkeit kontrollieren können. Manche brettern in fünf Minuten nach unten, andere fahren gemütlich, bleiben für Fotos stehen und benötigen zwanzig Minuten. „Zudem freuen sich Eltern von Kleinkindern, dass sie ihren Nachwuchs im Schoß mitnehmen können – einer der Hauptgründe, warum wir uns für Mountaincarts entschieden haben“, sagt Fahr.
Eigene Halterung enwickelt
Die Mountaincarts werden in der Bergstation der Hörnerbahn verliehen und an der Talstation wieder eingesammelt. Transportiert werden die Mountaincarts mit selbst entwickelten Halterungen an den Gondeln. „Anfangs haben wir die Mountaincarts in der Gondel transportiert – was umständlich, zeitraubend und unpraktisch war. Zusammen mit einer örtlichen Schlosserei entwickelten wir deswegen Halterungen an den Kabinen, die vom TÜV Thüringen abgenommen wurden“, berichtet Fahr stolz. Die Gäste müssen sich also um nichts kümmern, selbst ihre Rucksäcke werden mit der Bahn bergab transportiert, während sie die Strecke hinunterfahren.
„Die Kunden werden zuvor theoretisch und praktisch eingewiesen und müssen unterschreiben, dass sie auf eigene Gefahr die Mountaincarts benutzen“, sagt Fahr. Unfälle sind aber sehr selten und riefen bisher nur leichte Verletzungen hervor. Für die Sicherheit sorgen zahlreiche Schilder, Leitplanken, Bodenwellen und Spiegel. Die Straße wird regelmäßig mit einer Kehrmaschine gereinigt und bei Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. „Zudem haben wir den Wunsch nach einer Zeitmessung abgelehnt. Wir wollen eine Attraktion für alle – keine Rennstrecke für Raser“, so Fahr. Die Attraktion ist dabei nicht auf die Sommermonate beschränkt. „Normalerweise eröffnen wir die Strecke zwischen den beiden Wintersaisonen. Bei wenig Schnee und geräumter Straße fahren aber auch im Dezember Gäste mit den Mountaincarts. Bis zur Mittelstation haben wir Ski-, ab dort Cartbetrieb“, berichtet Fahr. Die Mountaincarts haben sich zu einer Ganzjahresattraktion entwickelt – was für eine steile Geschichte. ts
Mountaincarts boomen!
Der Siegeszug der Mountaincarts hält ungebrochen an. Mit zehn neuen Verleihstationen und über 20 Standorten, die ihre Verleihflotte aufgestockt haben, verzeichnete das bayerische Unternehmen MOUNTAINCART 2017 ein erneut erfolgreiches Jahr. Unter den zahlreichen Neukunden finden sich auch im vergangenen Jahr rennomierte Destinationen, wie die Hochzeiger Bergbahnen im Pitztal, Werfenweng im Salzburger Land, die Aletscharena im Wallis oder Serre Chevalier, das größte Skigebiet der südlichen französischen Alpen.
Auch außerhalb des Alpenraums haben sich Destinationen für den Publikumsrenner Mountaincart entschieden, etwa Tärnaby am Polarkreis (Schweden), El Colorado in Chile und das Lakeridge Resort nahe Toronto (Kanada). Mittlerweile brettern die Fahrzeuge an mehr als 65 Standorten weltweit den Berg hinunter. Und der Boom der Mountaincarts scheint auch in diesem Jahr ungebrochen. So werden heuer unter anderem mit Bramberg am Wildkogel und Zermatt im Wallis wieder spektakuläre Mountaincart-Angebote für die alpinen Gäste hinzukommen.