Branche im Stresstest: Corona

Wie verlief die „gestutzte“ Wintersaison 2019/2020, wie entwickelte sich der erste Coronasommer – und wird der Winter ein Totalausfall?

Der alpine Tourismus befindet sich seit März 2020 in großen Turbulen- zen, Corona beeinflusst nun schon die dritte Saison. Doch wie ging wirklich die Wintersaison 2019/2020 zu Ende? War der erste Coronasommer tatsächlich ein Erfolg? Und was hat der Virus heuer schon angerichtet bzw. was blüht uns noch? Wir haben die deutschsprachigen Seilbahnverbände um eine Einschätzung gebeten.

Deutschland

Super Sommer in Deutschland

Im Gegensatz zu den anderen deutschprachigen Alpenländern zeigt sich in Deutschland für die beiden abgeschlossenen Saisonen ein ambivalentes Bild.

Die Wintersaison 2019/2020 war wie überall ein Misserfolg: 4,4 Millionen Ersteintritte zählten die deutschen Seilbahnen, das entspricht 26 Prozent weniger als im Vorjahr. Mit 80 Millionen Euro lag der Umsatz um 22,1 Prozent niedriger als in der Coronafreien Saison 2018/2019.

Der Sommer 2020 war dagegen ein Erfolg. Anders als in Österreich und der Schweiz konnten die deutschen Seilbahnen auf ein großes Heimpublikum zurückgreifen und litten weniger unter dem Ausbleiben ausländischer Gäste. Die Ersteintritte stiegen im Vergleich zu 2019 um rund 14,7 Prozent. Insgesamt meldeten die Destinationen 5,7 Millionen Ersteintritte.

Auch der Umsatz stieg in den deutschen Gebirgen: 71 Millionen Euro entsprechen 18,2 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Zu betonen ist, dass deutsche Seilbahnen im Sommer traditionell schon immer stark waren.

– 26 Prozent

weniger Ersteintritte in der Wintersaison 2019/2020 gegenüber dem Vorjahr in Deutschland

+ 14 Prozent

mehr Ersteintritte in der Sommersaison 2020 gegenüber dem Vorjahr in Deutschland

Wintersaison unter Komplettsperre

Die aktuelle Wintersaison ist in Deutschland bisher ein Totalausfall – und wird vorausichtlich einer bleiben. Die deutschen Seilbahnen und Schlepplifte dürfen seit Beginn der Wintersaison auf behördliche Anordnung nicht öffnen und die Maßnahmen werden etwa in Bayern weiter verschärft. Die Bundesregierung hat eine Vielzahl von Unterstützungsmaßnahmen aufgelegt, um die wirtschaftlichen Verluste durch die Corona bedingten Schließungen abzufedern.

„Allerdings greifen diese Programme, wie November-, Dezemberhilfe und Überbrückungshilfe für die Seilbahnbranche nur sehr eingeschränkt. Hier muss noch nachjustiert werden, etwa mit Blick auf die Wetterabhängigkeit der Branche“, fordert Thu-Hà Prügelhof vom Verband deutscher Seilbahnen.

Schweiz

Schweiz-Sommer schlechter als Winter

In der Schweiz zeigt sich zu Deutschland ein entgegen gesetztes Bild, hier verlief der Sommer 2020 im Vergleich zum Vorjahr schlechter als der Winter 2019/2020. Leider zeigen aber bei beiden Saisonen die Zahlen nach unten: Zählten die Schweizer Seilbahnen im coronafreien Winter 2018/19 noch 24,8 Millionen Ersteintritte, kamen sie in der gestutzten Saison 2019/2020 nur auf 20 Millionen.

Das entspricht einem Rück- gang von 19 Prozent. Auch der Umsatz sank – von mehr als 757 Millionen Franken 2018/ 2019 auf rund 664 Millionen Franken in der vergangenen Saison. Das sind 12,3 Prozent weniger.

Der Sommer 2020 war ebenfalls von Verlusten geprägt: 28,5 Prozent weniger Ersteintritte musste der Verband Seilbahnen Schweiz (SBS) verzeichnen. Zwar machten mehr Schweizer Urlaub im eigenen Land – Destinationen mit traditionell vielen einheimschen Gästen verzeichneten Zuwächse (plus 12 Prozent) – doch dies konnte das Ausbleiben der Gruppenreisenden und der Touristen aus den Fernmärkten nicht ausgleichen.

In international ausgerichteten Destinationen halbierten sich die Zahlen, während sie in Graubünden um 15,4 Prozent stiegen.

– 19 Prozent

weniger Ersteintritte in der Wintersaison 2019/2020 gegenüber dem Vorjahr in der Schweiz

– 28 Prozent

weniger Ersteintritte in der Sommersaison 2020 gegenüber dem Vorjahr in der Schweiz

Schwieriger Start in diese Wintersaison

Erfreulicherweise durften diesen Winter über drei Viertel der Schweizer Skigebiete ihren Betrieb aufnehmen oder aufrechterhalten. Jedoch verzeichnen die allermeisten von ihnen einen spürbaren Rückgang, sowohl beim Umsatz (minus 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), wie auch bei den Gästezahlen (minus 15 Prozent Ersteintritte seit November im Vergleich zum Vorjahr).

„Dies ist einerseits auf die Kapazitätsbeschränkungen zurückzuführen, andererseits auf die zunehmende Stigmatisierung des Skisportes und die nicht optimalen Wetterverhältnisse“, so Brigitte Mueller von SBS.

Die wichtigsten Wochen in den Monaten Februar und März während der Sportferien seien nun entscheidend, werden doch 50 Prozent der Einnahmen in dieser Periode erwirtschaftet. Eine Verschlechterung der pandemischen Lage mit Schließung der Skigebiete wäre dann besonders schmerzhaft.

Österreich

Rekordwerte bis zum Lockdown

In Österreich bringt der Blick zurück in die vergangene Wintersaison vor allem zwei Erkenntnisse: „Die Branche war bis zur behördlichen Schließung der Betriebe voll auf Kurs, musste dann jedoch starke Einbußen in Kauf nehmen. Als Resümee bleibt, dass die heimischen Unternehmen bei den Gästen punkten konnten“, sagt Fachverbands-Geschäftsführer Erik Wolf.

So weisen die Zahlen von November 2019 bis zur Schließung im März 2020 rund 47,4 Millionen Ersteintritte (minus 12,8 Prozent gegenüber 18/19) und 1,41 Milliarden Euro Umsatz (- 8,9 %) auf. Die Rekordwerte bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie spiegeln sich mit einem Plus bei den Ersteintritten (8,4 Prozent) und beim Kassenumsatz (+ 11,2 %) wider.

Im Sommer 2020 gibt es bei den Ersteintritten ein Minus von 15 Prozent (im Vergleich zum Vorjahr 2019). Das Minus bei den Gästezahlen ist hauptsächlich dem verspäteten Saisonstart verschuldet.

– 12 Prozent

weniger Ersteintritte in der Wintersaison 2019/2020 gegenüber dem Vorjahr in Österreich

– 15 Prozent

weniger Ersteintritte in der Sommersaison 2020 gegenüber dem Vorjahr in Österreich

Umsatzminus bis zu 90 Prozent

In der aktuellen Wintersaison 2020/2021 durften die österreichischen Skigebiete zu Weihnachten aufsperren – wenn auch mit strengen Vorgaben und Kapazitätsgrenzen. Trotzdem werden die österreichischen Bergbahnen rund drei Viertel der Gäste verlieren.

Ein Umsatzminus bei den Seilbahnen zwischen 76 und 91 Prozent stellt den Betrieb einzelner Unternehmen auf die Kippe. „Die Winterprognose ergibt ein Minus von mindestens 66 bis zu knapp 80 Prozent bei den Ersteintritten, realistisch kann wohl von rund 75 Prozent Minus ausgegangen werden“, so Franz Hörl, Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen der Wirtschaftskammer Österreich.

Das sind ca. 1,3 Milliarden Euro an Netto- Umsatz bei den Seilbahnen, die nach diesem Winter fehlen und die Bilanzen negativ beeinflussen.

Südtirol

Rückzahlung der Skipässe in Südtirol

Die Auswirkungen der frühen und überraschenden Schließung der Seilbahnanlagen im März 2020 wirkten sich auch auf die Seilbahnbetreiber in Südtirol aus. „Unseren Gesellschaften fehlen wichtige Wintersaison-Wochen, was sich in den Bilanzergebnissen und den Cashflows niederschlagen wird“, so Verbandspräsident Helmut Sartori.

Der Vergleich mit dem Vorjahreswinter zeigt dies mehr als deutlich: Es fehlen über 45 Millionen Euro an Umsatz, zuzüglich entgangener Gastronomie- oder Skiverleih-Umsätze bei jenen Liftunternehmern, die diese Geschäfte direkt führen.

Die Analyse der Fahrten ergibt ein Minus von 12 Prozent bei den Erst-Zutritten und ein Minus von 11 Prozent bei den Durchfahrten. „Die teilweise Rückzahlung der Saisonskipässe belasten die Budgets zusätzlich und werden zum Teil erst im nächsten Bilanzjahr ersichtlich werden“, betont Sartori.

Im Sommer verliefen die ersten Betriebstage in Südtirol etwas holprig, durch die späte Öffnung fehlen wichtige Wochen. Die Monate August und September verliefen dagegen wirtschaftlich sehr gut.

„Teilweise nahmen die Gäste die Abstands-Regeln so ernst, dass sie sich weigerten, die Gondeln mit Personen aus anderen Haushalten zu teilen – obwohl dies erlaubt gewesen wäre“, so Sartori. Laut einer Statistik des Landesinstituts für Statistik ASTAT blieb das Sommerhalbjahr von Mai bis Oktober 2020 aber schwach.

Zwar stieg der Anteil der ein- heimischen Gäste um 4,2 Prozent, insgesamt wurden aber 33,6 Prozent weniger Gästeankünfte registriert: Statt 3,2 Millionen kamen nur 1,6 Millionen Touristen.

– 12 Prozent

weniger Ersteintritte in der Wintersaison 2019/2020 gegenüber dem Vorjahr in Südtirol

– 33 Prozent

weniger Gästeankünfte in der Sommersaison 2020 gegenüber dem Vorjahr in Südtirol

Nie in den Winter gestartet

Mit Ausnahme der Öffnungen für Trainingsmannschaften sind die Südtiroler Skigebiete nie in den aktuellen Winter 2020/21 gestartet. „Uns fehlen die Winterumsätze also komplett. Auch am heutigen Tag ist es noch fraglich, ob und wann die Skigebiete in Italien öffnen können und unter welchen Voraussetzungen.

Auch die Entscheidungen über die Bewegungsfreiheit der Menschen müssen erst getroffen werden“, klagt Sartori. Er könne beim besten Willen keine Prognose abgeben.