Digitalisierung – Ist & Vision: Digital-Trends nach Covid-19

Covid-19 befeuert die Digitalisierung. Wohin geht die Digital-Entwicklung von Skigebieten und Tourismus-Destinationen? Im SI Interview: Gilberto Loacker von Alturos Destinations.

SI: Wie werden die Covid-19-Jahre 2020 und 2021 im Rückblick in Erinnerung bleiben?

Gilberto Loacker: Das wird eine vernarbte Wunde werden. Der kommerzielle Verlust vor allem im Winter 2020/21 wird bei vielen Betrieben einen langfristigen und nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden hinterlassen.

Welche Digitalisierungsschritte wurden und werden durch Covid-19 seit Frühjahr 2020 beschleunigt oder erzwungen?

Sehr beschleunigt wird die Digitalisierung aller Vertriebswege (Skipässe, Bahntickets u.v.m.) und Digitales Queuing (Warten/Anstellen) sowie die Digital-Reservierungen bei Service-Dienstleistern (etwa Restaurants, Skiverleih, Skischule).

Welche guten Beispiele dafür gibt es?

Bezüglich Digitalisierung im Verkauf ist der neue Jungfraubahnen-Terminal in Grindelwald ein besonders gutes Beispiel. Hier treffen die Eisenbahn, zwei große Seilbahnen, Parkhaus, Skiverleih, Gastronomie und diverse Shops aufeinander. Das Gebäude wurde unter Berücksichtigung der Digitalisierung gebaut.

Zwar wird ein Teil der Gäste auch noch an Kassen bedient, aber die Masse wird digital abgewickelt. Es gibt Webshops, App-Lösungen und Automaten vor Ort um Zugtickets samt Reservierung, Skipass bzw. Bergbahn-Ticket, Ski Verleih, Parkhaus Tickets, Tisch-Bestellungen für Berggastronomie am Jungfraujoch u.v.m. im „Self Service“ zu beziehen.

Das Zillertal hat mit der myZillertal-App eine Shop- & App- Lösung geschaffen, um viele Leistungen digital zu vermarkten, ohne den Gast beim Leistungsanbieter in Warteschlangen zu zwingen. Das betrifft Skipässe, Bergbahnprodukte, Erlebnisse, Skiverleih, Skischule, Parktickets, Shuttle-Dienste, Unterkünfte und Ähnliches.

In Andermatt werden neue Wege beim Digitalen Queuing der Zubringerbahnen (Gütsch Express-Gondelbahn, Gemsstock- Pendelbahn) gegangen. Der Gast reserviert digital den Einstieg zu einer Gondel und muss so nicht vor Ort warten. Wer pünktlich ist kann so bequem zusteigen. Wer ohne digitale Vorreservierung erscheint, kann sich per QR-Code vor Ort digital in die Warteliste stellen.

Niederösterreichs Skigebiete sind mit dem seit Winter 2020/21 eingesetzten Kontingentierungs- und Online- Ticketing-System ein weiteres sehr gutes Beispiel.

Gilberto Loacker ist Mitbegründer und Verwaltungspräsident von Alturos Destinations (Skiline u.v.m.) mit Standorten in Österreich, der Schweiz
und Frankreich. www.alturos.com. Foto: Alturos

Wo und wie könnte bezüglich Digitalisierung „mehr“ getan werden?

Die „Angst“ vor Warteschlangen werden die Menschen auch nach Covid-19 nicht mehr ablegen. Deshalb müssen wir digitale Systeme nutzen, um Warteschlangen zu vermeiden. Waren sie bisher ein geduldetes Übel, werden sie seit Covid-19 als Angriff auf die Gesundheit verstanden und sind ein absolutes No-Go. Deshalb müssen für Skipass-Verkauf, Skiverleih, Skischule, Restaurants usw. die Schnittstellen zu den Gästen neu überdacht und angepasst werden.

Wie sieht die Vision des idealen digitalisierten Skigebiets der Zukunft aus?

Der Gast möchte in einer Urlaubsdestination ganzheitlich bedient werden. Er möchte bequem und einfach „kaufen“ können, um zu konsumieren, Spaß zu haben und Erholung zu genießen. Es macht für ihn keinen Unterschied, wer für die Leistungserbringung verantwortlich ist. Deshalb brauchen wir eine ganzheitliche Sicht auf die Gästebedürfnisse.

Welche konkreten Schritte sollten Skigebiete und Tourismus- Destinationen zur Forcierung ihrer Digitalisierung setzen?

Digitalisierung ist grundsätzlich ernst zu nehmen und als Projekt höchster Priorität einzustufen. Da Ressourcen und Kompetenzen meist nicht ausreichend vorhanden sind, sind Kooperationen mit angrenzenden Partnerdestinationen einzugehen, um Kräfte zu bündeln.

Das zeigen etwa das Zillertal, der kantonale touristische Vertrieb im Wallis oder das Vertriebsprojekt Graubünden360. Wichtig ist es, die technische und organisatorische Komplexität der benötigten Systeme nicht zu unterschätzen. Deshalb raten wir, Digitalisierungspartner zu wählen, die in der Lage sind, destinationsweite, digitale Vertriebssysteme zu entwickeln und zu betreiben.

Das Interview führte Oliver Pichler