Impfen, Testen, Reisen – so wird 2021

Zukunftsforscher Andreas Reiter vom Zukunftsbüro beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Tourismus und Zukunft. Er erklärt, wo die Reisetrends hingehen und wie das neue „Normal“ aussehen kann.

Für Zukunftsforscher Andreas Reiter lässt sich das Jahr 2021 in vier Bereiche einteilen.

1. Schwierige Gemengelage

Den ersten, welcher die derzeitige Lage beschreibt nennt er dabei schwierige Gemengelage. Reduzierte Impfgeschwindigkeiten, aufpoppende Mutationen und ein ständiger Wechsel zwischen Öffnungen, Teillockdown und Lockdown sorgt für eine schwer einschätzbare, sich ständig ändernde Lage in vielen Ländern.

Gerade in Europa nehmen außerdem die notwendigen Testungen zu, was das tägliche Leben weiter verändert. Dieses On/Off von Einschränkung und Lockerung ermüdet die Bevölkerung, sowie auch die Wirtschaft. Viele Unternehmen „fahren deshalb auf Sicht“. Sie passen sich immer nur an die aktuelle Situation an. Firmen, die hier weiter denken und vorausschauend handeln, können sich nun einen großen Wettbewerbsvorsprung sichern.

2. Freezing Phase

Auf die derzeitige Situation folgt laut Reiter die Freezing Phase. Diese wird bis ins zweite Quartal 2021 anhalten. Durch die inhomogene Lage in der EU, aufgrund von Reisebeschränkungen, temporären Grenzschließungen und den unterschiedlichen Infektionslagen, fehlt nach wie vor die Planungssicherheit. Der digitale EU-Pass soll als Grundlage für den Sommertourismus dienen.

Doch eine Umsetzung bis zu dieser Phase, ist aus Sicht des Experten eher unrealistisch. Somit zeichnet sich dieser Schritt durch Abwarten aus. Im Urlaub setzt man auf Serotonin statt Endorphin und lebt in dieser pandemischen Zeit draußen. Man erfreut sich im Urlaub am kleinen Glück der Ereignislosigkeit. Die Natur wird als eskapistische Heile-Welt-Raum gesehen. Während dieser Phase wird Draußen das neue Drinnen!

Andreas Reiter

Zukunftsforscher

„Das traditionelle Urlaubs-Erlebnis ist noch ausgesetzt, weshalb ein generelles Umdenken in diesem Bereich stattfindet. Vom Adrenalinkick hin zu den Soft-Sportarten. Der Alltag bietet immer noch genug Unsicherheiten und mentale Aufregung. In der Freizeit will man deshalb einfach nur die Seele baumeln lassen und entspannen. Gerade jene Tourismussparten, die auf das Angebot der Natur setzen, können so derzeit profitieren. Berg- und Seetourismusregionen sind also bereits bestens auf die aktuellen Kundenwünsche angepasst. Bei einer Umfrage von Karmasin Research & Identity lag die Natur sogar auf Platz zwei (direkt nach Freiheit) der wichtigsten Dinge nach der Corona-Krise.“

3. Co-Existenz

Im dritten Quartal zieht der Binnentourismus in Europa weiter an. Die Planungssicherheit steigt langsam und die Menschen wollen nun endlich nachholen was ihnen vorenthalten wurde. Reisekorridore zwischen einzelnen „sicheren“ Ländern werden stärker nachgefragt.

Auch Geschäftsreisen werden nun wieder langsam zunehmen und vereinzelt kommt es nun auch wieder zur Durchführung kleinerer MICE-Formate (Meetings Incentives Conventions Exhibitions).

Außerdem zeigen sich Upgrading-Tendenzen, von denen vor allem der Premiumsektor profitiert. „Mehr denn je wird die Marke und die damit verbundenen Werte wichtig werden. Denn eine starke Marke vermittelt ein Gefühlt der Sicherheit und Vertrautheit, die gerade in dieser Co-Existenz Phase Besucher anlockt,“ so Reiter.

4. Recovery Phase

Im vierten Quartal 2021 kommt die langersehnte Recovery Phase. Neben den großen Themen Natur und Outdoor tritt nun vermehrt wieder der „Socio
Pleasure“ in den Vordergrund. Soziale Begegnungen und Events werden wieder zunehmen. Während sich in der Phase der Co-Existenz die Reiseziele vor allem auf den Nah- und Binnenurlaub beschränkt haben, werden nun auch wieder europäische Ziele stärker ins Auge gefasst. Der Impfstatus wird nun bei etwa 60 % liegen.

Reiseabsichten der Deutschen 2021

Quelle: Stiftung für Zukunftsfragen, Tourismusanalyse 2021
  • Jeder zweite Deutsche (45 %) hat bereits feste Reiseabsichten für 2021
  • 33 % sind noch unentschlossen
  • 24 % der Deutschen planen einen Urlaub von mindestens fünf Tagen
  • 6 % wollen drei Mal oder häufiger verreisen
  • 66 % wollen „kürzere Strecken“ zurücklegen statt weite Reisen
  • 77 % rechnen mit höheren Preisen

Corona als Brennglas

Die Entwicklungen, die sich jetzt im Tourismus abzeichnen, sind keine neuen, wie Andreas Reiter weiß. Bereits zuvor lauteten die Keywords im alpinen Tourismus Dynamic Pricing, Optimierung der Besucherströme und Digitalisierung, nur jetzt geht alles einfach schneller.

Besonders wichtig ist dabei für den Experten, den Start nicht zu verschlafen. „Ich gehe davon aus, dass einige Hotels verschwinden werden und umso mehr brauchen wir integrierte Standortentwicklungen. Man sieht nun sehr deutlich die Abhängigkeiten.

Der Bäcker hängt genauso vom Erfolg der Bergbahn ab, wie ein Hotel. Eine derart entstandene Zusammenarbeit sorgt beim Besucher für ein Gefühl der Ehrlichkeit und lädt dadurch zum Urlauben ein. Die dadurch gewonnene Authentizität kann zur Abgrenzung gegenüber anderen Orten genutzt werden und einen persönlichen USP schaffen,“ so Reiter.