Outdoor ist die neue Kirche: Faszination Weitwandern

In den vergangenen Jahren verzeichnet das Weitwandern einen deutlichen Beliebtheitszuwachs. Doch was ist Weitwandern eigentlich und warum lohnt es sich für eine Destination auf den Trend aufzuspringen?

Einfach den Rucksack packen und los gehen. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Menschen, die genau so ihren Urlaub verbracht haben, deutlich gestiegen. Wandern, aber auch Weitwandern liegt im Trend!

Mit Weitwandern meint man das Zurücklegen weiterer Strecken über mehrere Tage verteilt. In dieser Hinsicht ist die Trendsportart mit dem religiösen Pilgern verwandt. Doch es wird immer klarer: Weitwandern hat im Gegensatz zum spirituellen Verwandten rein gar nichts mit Verzicht zu tun.

Es geht darum ein Abenteuer zu bewältigen, das eigene Leistungsvermögen zu beweisen oder die Natur zu erleben. Gerade Jüngere interessieren sich für diesen Trend.

„Der typische Weitwanderer ist ungefähr zwischen 25-34 Jahre alt und zu 55 % weiblich. Außerdem handelt es sich hier um keine Gruppen- oder Pauschalreisenden,“ weiß Ulrich Andres, vom Verein Österreichs Wanderdörfer, der das Weitwanderportal „weitwanderwege.com“ betreibt.

Weitwanderer schätzen ein gutes Essen und einen guten Service. Ein Transportdienst, welcher das Gepäck von Hütte zu Hütte bringt, wird genauso gerne gesehen, wie kreative und abwechslungsreiche Küche. Auch vegetarische und vegane Optionen sollten den Weg auf die Karte finden, wenn man die diversen Gruppen der Weitwanderer erfolgreich ansprechen möchte.

Ulrich Andres

Geschäftsführer Österreichs Wanderdörfer und Weitwanderportal

„Wir bekommen die meisten Anfragen für drei bis fünftägige Wege mit einer Tagesgehzeit von vier bis sechs Stunden. Sehr gerne werden Bergwanderwege angenommen. Als Übernachtungsmöglichkeit setzt man auf alles von Hütten oder Berggasthöfe, bis hin zum gemütlichen Wellnesshotel. Wichtig ist nur, dass die Übernachtung gut an den Weg angebunden ist.“

Potential in der Nebensaison

Auch Destinationen profitieren von diesem Trend, denn die Hochsaison für Weitwanderer liegt in den „typischen Nebensaisonszeiten“. Wenn das Wetter schon schön ist, aber noch nicht zu heiß. Das bedeutet eine Verlängerung der Hochbetriebszeiten für alle Beteiligten.

Außerdem handelt es sich meist um gut geplante Aktionen. Übernachtungen werden bereits einige Wochen und Monate vor der Anreise gebucht, was für die Unterkünfte eine gute Planbarkeit bedeutet.

Gerade mit COVID kam es zu einem regelrechten Boom. Alleine im Jänner verzeichnete die Internetseite weitwandern.com einen Anfragezuwachs von rund 40 Prozent. „Für uns ist Weitwandern die neue Fernreise. Hier wird die neue Welt direkt vor der Haustüre erforscht,“ erzählt Andres.

Wie profitiert eine Region davon?

Mehr als 50 Prozent der Wanderer sind mehr als einen Tag unterwegs. Damit zeigt sich sehr schnell ein Interesse für Hotels, Hütten und alternative Übernachtungsmöglichkeiten. Im Weitwandern steckt aber noch viel mehr Potenzial als nur Nächtigung.

Ein Weitwanderweg ist ein Leuchtturm, der eine Möglichkeit bietet die Destination zu stärken. Ein Beispiel hierfür ist der Lechweg. Der 125 Kilometer lange Weitwanderweg wurde am 15. Juni 2012 offiziell eröffnet und begrüßt seither zahlreiche begeisterte Wanderer.

Die genauen Zahlen sind trotz mehrerer Zählstationen am Wegrand nicht bekannt, da auf diese Weise nicht zwischen Tagesgästen und Lechweg-Wanderern unterschieden werden kann. Auf der 1. Etappe werden in gut besuchten Sommersaisonen über 24.000 Wanderer gezählt.

Als Ergänzung zu den 125 Wanderkilometern wurden 2015 zehn sogenannte Lechschleifen eröffnet. Neun davon sind bereits ausgeschildert und begehbar. Alleine an dieser Adaptierung zeigt sich, wie erfolgreich die Erweiterung von der Wanderregion zur Weitwanderregion war.

Lechweg als Best Practise

Am Lechweg werden die Expertentipps erfolgreich umgesetzt:

  • Neue Beschilderungen sorgen für ein leichteres Zurechtfinden der Gäste
  • Die Architektur am Weg ist auf einander abgestimmt und erzählt gemeinsam eine Geschichte.
  • Zusätzlich sorgen gut platzierte Logos und eine konsequente Benennung der Produkte (Lechwegbänke, Lechweggrillstellen) dafür, dass der Name des Weges während des gesamten Weges präsent ist.
  • Die Lechweg Partnerbetriebe werden genau geprüft und müssen eine Liste von Kriterien erfüllen, um Teil des Erlebnisangebotes zu werden.

Vom Wandern zum Weitwandern

Größtenteils verläuft der Lechweg auf Wegen, die bereits vor 2012 angelegt und genutzt wurden. Nur in einzelnen Abschnitten mussten neue Wege angelegt werden.

„Die genauen Investitionskosten des Projektes Lechweg sind schwer einzuschätzen, aber für die laufenden Kosten gibt es eine klare Regelung. Für die Instandhaltung des Weges muss die jeweilige Gemeinde aufkommen. Bisher funktioniert das so sehr gut. Das Produktmanagement und die Vermarktung liegt dagegen direkt beim Tourismusverband,“ erklärt Markus Hahn von Lech Zürs Tourismus.

Insgesamt fünf Tourismusverbände sind beim Projekt Lechweg beteiligt und arbeiten auch mit einem gemeinsamen Budget. „Das Erfolgsrezept eines guten Weges liegt in der Mobilisierung der Gäste und das funktioniert meiner Erfahrung nach am besten über die Dramaturgie,“ erklärt Andres.

Wenig bewirkt viel

Dabei sind keine großen und komplizierten Marketingstrategien nötig um den Besuchern einen stimmigen Spannungsbogen zu bieten.

Thematisierte Beschilderung, kleine Accessoires in Hotelzimmern oder ein namentlich passendes Gericht beim Restaurantbesuch reichen aus, um die Region mit dem Wanderweg zu verbinden.

„Die Leute wollen verstehen was der Weg bedeutet, wie er in die Region passt. Wenn man diese Erwartung erfüllt, kann man mit kleinen Mitteln die Wertschöpfung pro Jahr deutlich steigern,“ erklärt Andres.

Aufgepasst!

Es gibt schon wieder einen neuen Wandertrend: Winter(weit)wandern. Hier sind keine Hotels, sondern Hütten gefragt. Gerade wenn kein oder noch nicht genug Schnee für die Skifahrer da ist, könnte sich hier ein neues Geschäftsmodell entwickeln.