Pandemie-Risiken in Skigebieten

Wo lauern die größten Infektionsgefahren? Wie kann man sich und andere noch besser schützen? Wissenschaftler in aller Welt arbeiten daran das Wissen über Covid-19 zu erweitern – auch an der Empa.

Covid-19 ist schwer einzuschätzen und komplexe mathematische Modelle, die Infektionsrisiken beziffern, sind letztlich Versuche, sich der Realität anzunähern – auch im Fall von Skigebieten und den vielen Menschen, die sich dort tummeln. Deshalb begann das Team um Ivan Lunati von der Empa-Abteilung „Multiscale Studies in Building Physics“ seine Arbeit just in dieser Wirklichkeit: in Seilbahnkabinen und    Gondeln der Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis (BET).

Um dort den Faktor „Luftaustausch“ zu erkunden, der bei der Verbreitung der Erreger bekanntlich eine wichtige Rolle spielt, führten die Forscher Messkampagnen durch. Sie untersuchten drei Kabinentypen: eine kleinere Gondel namens Omega 3 mit einem Volumen von gut fünf Kubikmetern für maximal acht Passagiere und zwei größere Kabinen mit Raum für 80 beziehungsweise 77 Menschen und einem Volumen von knapp 40 beziehungsweise knapp 50 Kubikmetern.

Luftstrom in der Gondel in Echtzeit. Bild: Streamwise GmbH

Wie sich die Luft in diesen Fahrzeugen bewegt, ließ das Empa-Team zunächst mit einem mobilen System erkunden: In Zusammenarbeit mit der Firma Streamwise wurde mittels Luftdrucksensoren die räumliche Verteilung der Strömung in Echtzeit erfasst. Aus diesen Daten berechneten die Forscher dann „Luftaustausch-Raten“ für die jeweiligen Kabinentypen.

In der kleinsten Kabine wurde die Luft 138-mal pro Stunde ausgetauscht, in der mittleren 180-mal – und in der größten nur 42-mal. Die Ursachen sind laut Lunati die aufklappbaren Fenster im Dach der Gondel: „Im Gegensatz zu den anderen Kabinen ist der Luftstrom durch den Fahrtwind sehr sensibel“, erklärt er. „Dort herrschen kompliziertere Strömungsverhältnisse, die weniger effizient sind.“

Auf den ersten Blick mag die Zahl von 42 Luftwechseln pro Stunde gering erscheinen, doch ein Vergleich mit anderen Innenräumen rückt den Eindruck ein wenig zurecht: In einem Zugwaggon finden sieben bis 14 Luftwechsel statt; in einem durchschnittlichen Zweier-Büro sogar nur etwa ein Luftwechsel pro Stunde. In Seilbahnkabinen tragen geöffnete Fenster also klar dazu bei, das Risiko einer hohen Aerosolkonzentration zu verringern.

Die blaue Kurve zeigt die Wahrscheinlichkeit bei einer zwölfminütigen Fahrt in einer Gondel für maximal acht Personen. Die grüne Kurve zeigt sie für zwei Menschen, die sich acht Stunden in einem 20m2-Büro befinden. Die orange Kurve zeigt sie für acht Personen, die sich in einem 30m2-Raum bei geschlossenen Fenstern laut unterhalten, zum Beispiel bei einem Dinner.

Neben dem naheliegenden Ratschlag „Bitte lüften!“ lohnt es sich auch, die Anzahl der Passagiere pro Fahrt zu begrenzen. „Das wird in Skigebieten ohnehin schon gemacht und ist auf jeden Fall die richtige Strategie“, so Lunati.

Für Liftbetreiber dürften solche Informationen in jedem Fall nützlich sein. „Die Zusammenarbeit mit der Empa ermöglicht es uns, an professionelle und unabhängige Messdaten zu kommen“, meint jedenfalls Marketingleiter Urs Egli von den Titlis Bergbahnen. „Wir schätzen die Kooperation sehr. Und in Anbetracht der aktuellen Lage ist sie noch wertvoller für uns.“

Mehr Informationen dazu gibt es direkt auf der Empa-Homepage