Branche fordert sachlichen Journalismus

Die Seilbahnbranche nutzt derzeit die Sportartikelmesse ISPO in München, um mehr Fakten in die mediale Berichterstattung zu bringen. Beim Symposium "Dein Winter. Dein Sport" argumentieren Bergbahnen und Sportverbände in diesen Tagen gegen unsachliches Bashing des Wintertourismus.

Wo drückt uns Wintersportlern der Schuh? Und wie entwickelt die Branche gemeinsam nachhaltige Lösungen? Diese Fragen beantwortet diese Woche  das „Dein.Winter. Dein Sport“ Symposium auf der ISPO München.

Das gleichnamige Netzwerk aus dem Deutschen Skiverband (DSV), dem Skilehrerverband (DSLV), Snowboard Germany (SNGER) und der Stiftung Sicherheit im Sport (SIS) nutzt derzeit die Bühne der Sportartikelmesse, um den Wintersport medial in Schutz zu nehmen.

Ein wesentlicher Punkt ist der vermeintliche 365-Tage Spagat des Tourismus zwischen Ökonomie und Ökologie – wie in der ersten Talkrunde unter Moderation von ARD-Wintersportkommentator Tobias Barnerssoi deutlich wurde.

Mit Jörn Homburg (Deutschland), Beate Rubatscher-Larcher (Österreich) und Vivienne Hosennen (Schweiz) debattieren Vertreter von drei Ländern über die aktuelle Berichterstattung zum Wintertourismus.

RED STAGE

Der mediale Andrang auf die RED STAGE  auf der ISPO 2023 in München war groß.

80.000 statt 8.000 Schneekanonen in Deutschland?

Jörn Homburg, Leiter Marketing & Produktentwicklung bei den Oberstdorf Kleinwalsertal Bergbahnen, fragt sich, warum im medialen Diskurs oft mit falschen Zahlen argumentiert wird.

„Schnell, schlampig, falsch – so wird im journalistischen Mainstream über uns berichtet. Anders kann ich mir nicht erklären, warum in einem Podcast von 80.000 Schneekanonen in Deutschland fabuliert wird.  Die Wahrheit liegt bei 8.000.“

Als Vertreter des Arbeitskreises Öffentlichkeitsarbeit & Umwelt im Verband Deutscher Seilbahnen (VDS) setzt Homburg daher auf kleine, fokussierte Flyer, auf denen die wichtigsten Zahlen und Fakten präsentiert werden. „Wir werden die richtigen Daten gebetsmühlenartig und wiederholt kommunizieren müssen.“

Der Ökonom weiß, was die Ökologie wert ist

Das betreffe besonders das Thema Umwelt, betont Homburg: „Der Berichterstattung nach zu urteilen, ist die Branche Hauptverursacher des Klimawandels.“ Dabei seien Bergbahner reflektierte Ökonomen – „und Ökonomen wissen, was die Ökologie wert ist.“

Energiesparen sei daher seit Jahren im ureigenen wirtschaftlichen Interesse eines jeden Skigebiets. Hinzu kämen Anstrengungen zu erneuerbaren Energien: „74 Prozent der Energie deutscher Skigebiete bestehen bereits aus Ökostrom!“

Und auch gegen die Emissionen werde was getan, so Homburg: „In Oberstdorf-Kleinwalsertal setzen wir bei den Pistenmaschinen komplett auf HVO-Kraftstoff. Das spart jährlich 1.800 Tonnen CO2 ein und reduziert unseren ökologischen Fußabdruck um 70 Prozent!“

Generell halte Homburg wenig von der medialen Untergangsstimmung – nach dem Motto: „Morgen könne man nicht mehr Skifahren.“ Das Institut Geosphere bescheinige zumindest der Destination Oberstdorf-Kleinwalsertal einen Rückgang der Schneedecke bis 2050 um gerade einmal fünf Prozent.

Beate Rubatscher-Larcher

Die Geschäftsführerin der Kaunertaler und Pitztaler Gletscherbahnen wünscht sich mehr Fakten in der medialen Debatte.

Wenig Fläche – viel Wertschöpfung

Beate Rubatscher-Larcher, Geschäftsführerin der Kaunertaler und Pitztaler Gletscherbahnen, ist überzeugt, dass die Branche mit Blick auf  einen nachhaltigen Wintertourismus bereits seit vielen Jahren viel tut, die Anstrengungen bisher aber zu wenig kommuniziert.

„So ist die Berggastronomie seit jeher regional aufgestellt – mit kurzen Lieferwegen und lokaler Wertschöpfung. Zudem setzen wir seit über zehn Jahren auf PV-Anlagen und sind im Sommer bereits autark“, so die Bergbahnerin.

In diesem Zeitraum konnte die Branche österreichweit 20 Prozent Energie einsparen. Schneetiefenmessung und die Rückgewinnung der Bremsenergie von Seilbahnen seien hier wichtige Stichworte.

Mehr Relationen statt Kampagnen

Rubatscher-Larcher plädiert daher an die Journalisten, mehr mit Fakten zu arbeiten, anstatt auf den „bösen“ Tourismus zu schimpfen.

„Wir müssen mehr die Relationen sehen. Im Kaunertal stehen 48 Prozent des Gebietes unter Naturschutz – und nur zwei Prozent dem Skisport zur Verfügung.“ Die Seilbahnbranche erwirtschaftet also auf  relativ kleiner Fläche recht viel Umsatz. Zudem gebe es für jede Nutzfläche ein Ausgleichsareal.

Und auch die Beschneiung sieht sie medial verzerrt dargestellt: „Österreichs Skigebiete gebrauchen – nicht verbrauchen – nur 1,5 Prozent des Wassers.“ Die damit verbundenen Pistenpräparierungen und Baumaßnahmen stehen ebenfalls zu Unrecht in der Kritik. „Wenn wir die Gletscher präparieren, schmelzen sie langsamer.“

Generell müsse die Öffentlichkeit verstehen, dass Skigebiete Leidtragende des Klimawandels sind – nicht die Hauptverursacher: „In Sölden wurden Baumaßnahmen am Gletscher medial zerrissen, obwohl die Bergbahnen damit nur auf die Gletscherschmelze reagieren“, betont Rubatscher-Larcher.

ISPO 2023

Die Sportartikelmesse in München bildete den Rahmen für das Symposium „Dein Winter. Dein Sport.“ Auf der ISPO vertreten waren auch Designer Xavier Blanc Baudriller (Pinifarina) und Snowmobil-Expertin Kristine Lium (Vidde).

Länger lokal urlauben

Der teils unsachlichen medialen Debatte setzt Schweiz Tourismus die Initiative „Swisstainable“ entgegen.

„Die Schweizer Tourismus-Akteure leben schon lange Nachhaltigkeit – diese gilt es nun verstärkt zu kommunizieren“, sagt Vivienne Hosennen, Leiterin Süddeutschland & Trade Deutschland von Schweiz Tourismus.

Ein wichtiger Baustein von Swisstainable sei es, die Wertschöpfung im Land zu lassen. Ein Hebel dazu sei es, die Aufenthaltsdauer der Touristen zu verlängern. „Die Gäste sollen die Schweiz lokal länger erleben – und nicht in 48 Stunden das ganze Land bereisen“, sagt Hosennen.

Ein weiteres Beispiel sei Olympia: Erst vor wenigen Tagen habe sich das Schweizer Sportparlament einstimmig für eine Olympia-Bewerbung für die Winterspiele im Jahr 2030 oder 2034 ausgesprochen. „Das Konzept sieht vor, die bestehende Infrastruktur auszunutzen“.

Auch die Anreise sei ein entscheidender Hebel für mehr Nachhaltigkeit: „Wir bewerben aktiv die Zugfahrt in den Urlaub!“

Thomas Kemper

Der Leiter der Marktkommunikation der Deutschen Bahn will einerseits die Sehnsucht zum Bahnfahren wecken. Andererseits muss er aufgrund der Kernsanierung des Schienennetzes die harte Bahnrealität anerkennen. Er warb mit mehr Angebot, mehr Nachhaltigkeit und gute Preise für die Zugreise in den Winterurlaub.

Weitere Debatten

Apropos Zugfahrt. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion sprach Thomas Kemper, Leiter Marktkommunikation der Deutschen Bahn Fernverkehr AG, über einfache Wege, klimafreundlich in den Winterurlaub zu reisen.

Danach diskutierten Vertreter der Sportartikelbranche über deren Transformationsprozess zu mehr Nachhaltigkeit. „Leichter gesagt als getan“, war der gemeinsame Tenor von Stefan Rosenkranz (Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie e.V.), Stefan Herzog (Verband Deutscher Sportfachhandel), Frank Geisler (Intersport ) und Hilmar Bolle (Rossignol).

Am zweiten Tag des Symposiums „Dein Winter. Dein Sport“ – präsentierte Ralf Roth, vom Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung an der DSHS Köln, neue Daten zur Zukunft des Wintersports in Deutschland. Mit ihm debattierten im Anschluss Hanns-Michael Hölz (SNGER), Peter Hennekes (DSLV) und Stefan Schwarzbach (DSLV).

„Kinder in Bewegung und raus in die Natur“ – darüber sprachen zum Abschluss die ehemaligen Wintersportler Viktoria Rebensburg, Fritz Dopfer und Konstantin Schad mit Guido Heuber von Warner.Bros./Eurosport.

Eröffnet wurden beiden Symposium-Tage jeweils mit einem Bekenntnis zum Wintersport – und zwar von Tobias Gröber (ISPO), Walter Vogel (DSV), Stefan Knirsch (SNGER), Lena Haushofer (ISPO), Wolfgang Pohl (DSLV), Hannes-Michael Hölz (SNGER) – und selbstverständlich von Thomas Ammer, dem Koordinator von „Dein Winter. Dein Sport.“