Seilbahnen ohne Stationspersonal

"Chance für Betreiber & Mitarbeiter": Einerseits fehlt vielerorts Bedienpersonal für Seilbahnen, andererseits sind die top ausgebildeten „Liftler“ im Alltag oft unterfordert. Eine Lösung für beide Seiten? Vielleicht der autonome Betrieb. Seilbahnplaner Stephan Salzmann über Chancen, Risiken und Bedingungen der neuen Technik.

SI: Herr Salzmann, wie sehr treibt das Thema autonome Seilbahnen die Branche um?
Stephan Salzmann: Ein Teil meiner Kunden wissen davon und bringen das Thema bei der Planung aktiv ein. Im Zuge der langfristigen Skigebietskonzepte sprechen auch wir diesen Aspekt immer an. Aber es kann auch sehr schnell gehen: Aktuell haben wir bei der neuen Einseilumlaufbahn „Kieserl“ in Großarl-Dorfgastein noch in der Bauphase die Pläne umgeworfen.

Nun wird die Anlage autonom – also mit unbesetzten Stationen – umgesetzt. Fakt ist, früher oder später wird fast jedes Skigebiet darüber nachdenken (müssen). Denn Seilbahnen ohne Stationspersonal bieten zahlreiche Vorteile – für Betreiber wie für Mitarbeiter.

Inwiefern?
Einerseits kämpft die Branche heute – und noch mehr in der Zukunft – mit dem Personalmangel. Wir werden nicht mehr jede Station mit der entsprechenden An zahl ausgebildeter Bediensteter besetzen können. Andererseits müssen wir die Fachkräfte an der Stange halten.

Unsere „Liftler“ sind top ausgebildete Leute,  die ihre Kompetenz auch anwenden möchten. Im Alltag sind sie – zumindest bei modernen Bahnen – oft unterfordert, müssen im Störungsfall aber sofort  fachkundig agieren. Und das in einer Zeit, in der jeder einen erfüllenden Beruf möchte.

Es geht also in erster Linie gar nicht um die finanziellen Vorteile des bedienerlosen Betriebs?
Nicht unbedingt, wobei dies selbstverständlich auch ein wichtiger Faktor ist. Nehmen wir eine Seilbahn mit 1.500 Betriebsstunden im Jahr. Über deren  Lebensdauer von 40 Jahren kostet uns ein Mitarbeiter rund zwei Millionen Euro.

Diese Ersparnis refinanziert einen Großteil der Maßnahmen zum autonomen Betrieb. Das ist nicht nur für große Skigebiete mit hohen Personalkosten interessant, sondern auch für kleine Bergbahnen, wo der Fachkräftemangel oft besonders schlagend wird. Der autonome Betrieb kann die Betriebsleiter aus dem Dilemma helfen, die Betriebsvorschrift mit immer weniger Personal erfüllen zu müssen.

Stephan Salzmann

Seilbahnplaner und Skigebietsberater

Wie kann die Technik Mitarbeiter ersetzen?
Prinzipiell bei allen Aufgaben, die von Sensorik und Fernsteuerung erledigt werden können – wie z.B. die Überwachung der Ein- und Ausstiege. Wir müssen  aber beachten: Der Stationsbedienstete kontrolliert üblicherweise nicht nur den reinen Bahnbetrieb, sondern auch die Stationen an sich mit Zu- und Abgängen, Rolltreppen, Aufzügen, Kartenlesern etc.

Zudem ist er bei Brandalarm gefordert. All diese Aufgaben müssen durch Gebäudeautomationssysteme übernommen werden. Bei Problemen und Notfällen braucht es dagegen weiterhin den Menschen – ob als mobile Eingreiftruppe mit Sitz in einer Zentrale oder als stationierten Maschinisten, der mehrere benachbarte Stationen in der Verantwortung hat. Hier können die Seilbahner wieder ihre Kompetenz ausspielen, was sicher zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz beiträgt.

Muss der Gast beim Zu- und Ausstieg gar nicht betreut werden?
Bei modernen Kabinenbahnen mit entsprechenden Bahnsteig- und Türlösungen ist das nicht mehr nötig. Bestes Beispiel ist seit 2022 die Valiserabahn in
Silvretta Montafon. Und auch bei kuppelbaren Sesselbahnen sind autonome Betriebe denkbar, dort ist die Überwachung aber komplexer.

Alte, fixgeklemmte Sesselbahnen lassen sich tatsächlich schwer automatisieren. Derzeit sind Nachrüstungen bei Kabinenbahnen schwierig, bei Sesselbahnen noch nicht  abschätzbar.

Stichwort Nachrüsten: Inwiefern müssen Skigebiete heute schon an morgen denken?
In den mittel- bis langfristigen Masterplänen sollte der Betrieb mit reduziertem Personalaufwand unbedingt berücksichtigt werden. Dies erfolgt bei konkreten Projekten, wie z.B. in Großarl oder am Hauser Kaibling, wo Gipfelbereiche mit bis zu drei Bahnen zukünftig von einem bis zwei Bediensteten betreut werden wollen.

Auch durch die Zusammenlegung von Talstationen werden künftige Innovationen berücksichtigt. In Masterplänen können Investitionen besser argumentiert werden, wenn mit ihnen potentielle Einsparungen im Personalbereich einhergehen.

Bei der Kieserlbahn in Großarl-Dorfgastein

warfen die Verantwortlichen die Pläne während der Bauphase um und entschieden sich für den autonomen Betrieb. Fotos: SALZMANN

Welches Risiko bergen Seilbahnen ohne Stationspersonal?
Bei autonomen Seilbahnen trifft der Gast nicht mehr automatisch auf einen Mitarbeiter. Das könnte als Verschlechterung der Servicequalität empfunden  werden. Deshalb werden wir – neben den ohnedies notwendigen Kommunikationseinrichtungen – an neuralgischen Punkten Service-Mitarbeiter benötigen.

Sicherheitsbedenken haben Sie keine?
Nein, mittels Splitscreen ist der Seilbahner in der Zentrale sofort über Unregelmäßigkeiten informiert und kann von der Ferne eingreifen. Bei störungsfreiem Betrieb muss er die Bereiche aber nicht ständig überwachen.

Gilt es lokal Probleme zu beheben oder die Anlage sogar zu räumen, müssen mobile Einsatzteams innerhalb von fünf bis zehn Minuten vor Ort sein. Die gesetzlich vorgeschriebenen Zeiträume für die Räumung werden so eingehalten. Zudem kann der Maschinist in der Zentrale bereits auf Fehlersuche gehen, während sein Kollege noch unterwegs ist.

Wie schätzen Sie die Akzeptanz bei den Seilbahnern selbst ein?
Die Betriebsleiter und Maschinisten müssen sich den autonomen Betrieb in der Praxis ansehen, dann werden sie das Konzept akzeptieren. Aktuell baden ja die Mitarbeiter den Fachkräftemangel aus.

Meine Erfahrung: Hat das Betriebsteam den Nutzen der Technik erkannt, freut es sich einerseits über die Entlastung,  andererseits über mehr spannende und erfüllende Aufgaben. So bin ich zuversichtlich, dass wir langfristig ein Großteil der neu errichteten Seilbahnen autonom betreiben werden!