VTK in Lugano: Rundum sicher sein

Ein 360°-Panorama zum Thema Sicherheit bot kürzlich die VTK Tagung in Lugano. Mit rund 460 Teilnehmern und 58 Ausstellern waren alle Plätze ausgebucht. Das ist Rekord – und entspricht einem Zuwachs von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Unter dem Motto „360° Sicherheit“ erhielten die Besucher der VTK-Tagung in Lugano (Tessin) wichtige Informationen von Behörden, Skigebieten, Forschung und Zulieferindustrie.

Gemütliches Beisammensein

Das Netzwerken kam auf der VTK nicht zu kurz.

Zehn Referate und zwei Exkursionen bildeten den Kern der Versammlung, die durch eine große Ausstellung der Industrie bereichert wurde.

Durch die Tagung im Palazzo dei Congressi führte Moderator und VTK-Vorstand Andreas Sturzenegger. Am Vorabend gab es bereits ein fröhliches Nachtessen. Die Begrüßung am Tag 1 erfolgte durch VTK-Präsident Andreas Zenger.

BAV: Unfall-Hotspot Sesselbahn

Urs Bürgi von der Aufsichtsbehörde BAV betrat als erster die Bühne. Er informierte u.a. über die heuer neu in Kraft getretene Seilverordnung, die Sicherheitsüberwachungen „Audits“ und den „Dauerbrenner“ Arbeitszeitgesetz.

Denn Seilbahnunternehmen würden oft nicht wissen, was für sie rechtlich genau gilt. Weiters ist Bürgi über die Häufung von Personenunfällen bei Sesselbahnen besorgt: „Wir sind jetzt Mitte 2022 schon bei acht!“ 75 Prozent der Unfälle passierten beim Einstieg, 25 Prozent beim Ausstieg.

„Visuelle Seilkontrollen werden oft nicht nach den Vorgaben der Seilhersteller gemacht“, klagte Urs Bürgi vom BAV.

„Schalten wir die durchgängige Beleuchtung bei Schneeerzeugern aus, ist das ein Signal in der Krise“, so SBS-Direktor Berno Stoffel.

IKSS: Die Seile und die Hitze

Mit Blick auf tödliche Arbeitsunfälle bei Seilbahnen ging Bürgis Behördenkollege Ulrich Blessing vom IKSS auf die Kritik ein, welche die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) an die Bergbahnbranche erichtete.

Er gab Tipps für mehr Arbeitssicherheit und wies zudem auf Seilprobleme in Hitzeperioden hin, wie ein Aufsetzen des Spanngewichts, ein ruckartiger Seilzug oder den Verlust der Antriebskraft.

„Auch Bügel- und Seilüberschläge häufen sich, ebenso Kollisionen auf Pistenkreuzungen. Hier gilt es mit größerer und stärkerer Signalisation dagegen zu halten“, so Blessing.

Konstantin Kühner

vom JAKOB ROPE SYSTEMS erklärte plakativ sein Produkte.

SBS: Die Schweiz und der Strom

Über die herausfordernde Arbeit des Verbands Seilbahnen Schweiz (SBS) in Hinblick auf die Strommangellage berichtete Direktor Berno Stoffel: „Wir sehen Analogien zur Corona-Situation.“

So ist der alpine Tourismus erneut mit einem externen Faktor konfrontiert, der realistisch und geschäftsbedrohend ist. Zudem gebe es wieder unsichere Datenlagen und Szenarien und einen Regulator ohne Interventionserfahrung und politischer Führung in dieser Situation.

Florian Immoos (rechts)

zeigte den Kunden sein Seilfahrgerät SS20 AWD.

Der Seilbahnverband will daher erneut koordiniert vorgehen und eine schweizweit abgestimmte Kommunikation vorgeben.

„Priorität hat das Wegverhandeln von Betriebsverboten für Beschneiungsanlagen und Skilifte“, betont Stoffel. Dies soll auch mit einem Katalog für freiwillige Verbrauchseinschränkungen erreicht werden.

Beispiele wären reduzierte Fahrgeschwindigkeiten bei Seilbahnen, der Verzicht auf Warmwasser in Gebäuden und das Abstellen der Werbebeleuchtung.

„Mit einer Kontingentierung der Energie rechnen wir frühestens ab Februar. Dazu ist ein Simulationstool in Arbeit, das Einsparpotentiale berechenbar macht“, so Stoffel.

GRÜNENFELDER

Marco Larghi (Mitte) und Thomas Götz (rechts) waren für GRÜNENFELDER vor Ort.

Lugano: Tourismus und Verkehr

Anschließend stellte Angelo Trotta, Direktor des Tourismusverbandes Ticino Turismo die Tagungsregion vor: „Wir haben mit einem Net Promoter Score von 73 Prozent eine bessere Weiterempfehlungsrate als so mancher Tech-Konzern“, freut sich Trotta.

Einen Anteil daran hat sicherlich das Ticino-Ticket, mit dem Touristen den Öffentlichen Verkehr kostenlos nutzen können, führte Alex Malinverno, Präsident UTPT, aus. Der Tessiner Verkehrsverband betreibt auch zahlreiche Luft- & Standseilbahnen.

AXESS

Markus Weyrer von AXESS (links) im Gespräch mit Fabio Sartori von Amici del Nara SA.

Vom Arbeitschutz...

Die Vorträge zum eigentlichen Tagungsthema „360° Sicherheit“ starteten dann nach der Mittagspause. Den Auftakt machte Phillip Bernhard: Der Sicherheitsexperte der SUVA referierte über die Alleinarbeit im Skigebiet.

Dazu stellte er eine Beurteilungsmatrix vor, mit der Verantwortliche erkennen können, wann welche Überwachungsmaßnahmen nötig sind. „So können wir Unfälle zwar nicht verhindern, aber die Reaktionszeit für Rettungsmaßnahmen verkürzen“, sagte Bernhard.

...über IT-Sicherheit...

Simon Jauch von der Softwarefirma SISAG sprach anschließend über IT-Sicherheit. Er führte beispielhaft eine Risikoanalyse für ein Skigebiet durch und identifizierte gängige Netzwerk-, Daten-, Server- und Organisationsgefahren.

Darauf aufbauend stellte der Digitalexperte konkrete Maßnahmen vor, die Bergbahnen gegen Hacker, Viren und Co. treffen können – und angesichts der Lage auch müssen.

frischgebackene Seilbahnfachleute

37 der 52 frischgebackenen Seilbahnfachleute erhielten ihr Diplom auf der VTK-Tagung. Foto: Seilbahnen Schweiz

...zum Gefahrguttransport

Über ein gänzlich analoges Risiko referierte dagegen Kaspar Seiler vom BAV. Er sprach über den Transport von Gefahrgut mit der Seilbahn, Prüf- und Kennzeichnungspflichten – und wo Bergbahnen Ausnahmen genießen.

52 Seilbahnfachleute ausgezeichnet

Auf Seilers Vortrag folgte der Höhepunkt der VTK-Tagung: Die Diplomvergabe an die neuen Seilbahnfachleute.

Eine Seilbahnfachfrau sowie 51 Seilbahnfachmänner können sich über den erfolgreichen Abschluss ihrer Weiterbildung freuen.

Nach 18 Monaten berufsbegleitendem Unterricht, mehreren Zwischenprüfungen und der Berufsprüfung steht den Seilbahnfachleuten nun der Weg zum eidgenössisch diplomierten „Seilbahnmanager“ offen.

Nach der Diplomübergabe feierte der Seilbahn-Nachwuchs mit der VTK_Familie ihren Erfolg beim Apéro am Luganersee und beim Dinner im Kongresszentrum. Ein Zauberer sorgte dort für verblüffte Gesichter und aufgeregte Diskussionen.

Erstmals dabei:

 Simon Dinkel (li.) von Schumacher-Burkhardt & Armin Pfeiffer von SKF.

Neuer Bildungsplan

Passend zur Diplomübergabe wurde am zweiten Tag der neue Bildungsplan von Seilbahnen Schweiz (SBS) vorgestellt. Seit zwei Jahren werden Lernende nach Bereichen der Handlungskompetenz ausgebildet.

Marc Ziegler, Leiter Ausbildungszentrum SBS, sensibilisierte die anwesenden Technischen Leiter für diese neue Art der Lehre: Weg vom Prinzip ‚Vorzeigen-Nachmachen-Korrigieren‘ hin zum Coaching.

„Wenn sich die Jugendlichen das Wissen selber aneignen, bleiben 90 Prozent davon im Gedächtnis,“ betonte Ziegler.

Zudem erhält das Seilbahnunternehmen so wertvollen Input fernab der eigenen Betriebsblindheit. Si- cherheitsrelevante Arbeiten sollten aber selbstverständlich weiterhin unter Aufsicht erfolgen.

Schlaglänge und Seildrall

Einen technisch interessanten Vortrag über Schlaglänge und Drall bei Seilbahnseilen präsentierte Konstantin Kühner von JAKOB ROPE SYSTEMS.

Der Seilexperte sprach unter anderem über die Auswirkungen von kurzer und langer Schlaglänge auf Standseilbahnen bzw. Luftseilbahnen im Pendelbetrieb.

Auch der Drall aus der Fahrt über Rollen war ein Thema. Kühner nannte auch konkrete Beispiele, wann man welche Maßnahmen ergreifen sollte.

SI Herausgeber

Gerald Pichlmair versuchte sich am Spleißen von Faserseilen.

Urbane Erfahrungen und alpine Lehren

Was lernen wir aus dem Betrieb von urbanen Seilbahnen? Dieser Frage gingen Philippe Bieri und Oliver Reinelt vom Seilhersteller FATZER nach.

Sie zeigten, dass auch Bergbahnen von den Erfahrungen urbaner Betreiber lernen können.

Zudem profitieren sie von den für den urbanen Bereich entwickelten Produkten und Lösungen – sei es durch vorausschauende Wartung, automatisierte Seilkontrolle oder dem kurzen Langspleiß.

Ausflüge zum Ausklang

Den Abschluss der VTK 2022 in Lugano bildeten zwei Exkursionen. Die erste Gruppe besuchte die Standseilbahn San Salvatore, die zweite die Standseilbahn auf den Gipfel des Monte Brè.