Wenn aus Routine ein Spezialfall wird

Eigentlich sollte INAUEN-SCHÄTTI bei der Gotschnabahn nur Wartungsarbeiten durchführen. Doch dann trat ein massiver Seilschaden auf und die Experten tauschten flexibel und unter Zeitdruck das 44-Tonnen-Tragseil aus - sehr zu Freude der Destination Davos Klosters.

Der Gotschna ist einer der Hausberge der Schweizer Destination Davos- Klosters. Auf den Gotschnagrat führt seit 1950 die Gotschnabahn in zwei Sektionen. Von der Talstation zur Mittelstation fasst die Gondel 125 Personen, von der Mittel- zur Bergstation 100 Personen.

Regelmäßig wird die Pendelbahn durch INAUEN-SCHÄTTI instand gehalten. Die Schweizer Spezialfirma darf seit Jahren sämtliche Seilarbeiten im Skigebiet durchführen.

Und so war es erst einmal nichts besonderes, als Mitte Januar 2023 der Auftrag ins Haus flatterte, in der ersten Sektion die Spannseile zu wechseln, sämtliche Seile zu verschieben, sowie die Kabine samt Laufwerk zu demontieren und nach der Revision zu reinstallieren.

Tragseilschaden stoppt Betrieb

„Bei der täglichen Routinekontrolle erkannten wir Anfang März jedoch einen schweren Schaden an einem der vier Tragseile. Wir legten die Seilbahn sofort still – mitten in der laufenden Wintersaison kurz vor Ostern“, berichtet der Technische Leiter der Gotschnabahn Andrea Margadant Tschibi.

Sofort eilten die Monteure von INAUEN-SCHÄTTI, die Vertreter des Seillieferanten FATZER und Experten des Bahnherstellers GARAVENTA herbei, um den Schaden zu begutachten.

Schnell wurde klar: Für die Gäste und Mitarbeitenden bestand zwar keine Gefahr, doch die Produktion und Montage eines neuen bahnspezifischen Tragseils dauert mehrere Monate.

„Jetzt war von allen Flexibilität gefragt“, so Reto Degen, Montageleiter bei INAUEN-SCHÄTTI. Das Ziel: Die Bahn sollte pünktlich zur Sommersaison ab 1. Juli wieder fahren.

Flexibel und schnell reagiert

Damit dies gelingt, zog INAUEN-SCHÄTTI kurzfristig alle anderen Arbeiten vor.

„Da die Bahn durch den Schaden drei Wochen früher als geplant geschlossen wurde, begannen wir sofort damit, die drei übrigen Tragseile zu schieben, die Spannseile zu tauschen und das Laufwerk zu demontieren“, sagt Degen.

Erst dann folgte das Projekt „Neues Tragseil“.

Schweres Tragseil – schwere Arbeit

44 Tonnen Gewicht und 2.180 Meter Länge: Das sind die Maße des neuen Tragseils, auf welchem die Kabine fährt. „Zuerst mussten wir die Bobine mit dem gelieferten Seil bei der Talstation in Klosters sicher befestigen.

Danach konnte der Seilzug starten, der selbst nur drei Tage dauert“, schildert Tschibi den Ablauf. Das alte Seil wurde dafür mit dem  neuen Seil mit einer sogenannten Königsmuffe verbunden und zog dieses nun nach oben.

Damit der schwere Strang zum Berg nicht den Boden berührt, wurde es in regelmäßigen Abständen mit Hilfsrollen an das zweite Tragseil (Tragseil B) angehängt.

Das Seil wird „gemolken“

Stück für Stück zogen fünf Monteure von INAUEN-SCHÄTTI das neue Seil mit speziellen Maschinen auf den Gotschnaboden. Ihnen arbeiteten die Mitarbeitenden von Davos Klosters Mountains zu. Das stückweise Hochziehen wird auch „melken“ genannt.

Die sogenannte „Melkmaschine“ ist ein Wagen, 55 Meter über dem Boden. Mit ihr fuhren die Monteure bis zur Stütze, befestigten dort das Seil mit einer Klemme und zogen dieses ein Stück hoch.

Die Arbeit benötigte viel Zeit, denn das schwere Seil durfte zu keinem Moment losgelassen werden. Pro Meter wiegt das Stahlseil 18,1 Kilogramm. Ganze 28-mal fuhr der Wagen über Tage hin und her, bis das Seil die Bergstation – rund 500 Höhenmeter vom Tal entfernt – erreicht hat.

Das Team

war mit der „Melkmaschine“ unterwegs, um das neue Tragseil für die Gotschnabahn zu montieren. © Davos Klosters Mountains

Reserveseil & Spanngewicht

Die Arbeiten waren damit aber noch nicht abgeschlossen. Das neue Seil wurde bei der Bergstation über eine große Rolle, den sogenannten Poller gezogen und dort fixiert.

Für diesen letzten Zug setzten die Monteure einen 90 Tonnen schweren Flaschenzug ein. Auf der Rolle befinden sich nun 200 Meter Reserveseil. Diese Reserve wird alle zwölf Jahre gebraucht, wenn das Seil 20 Meter talwärts verschoben wird.

Dadurch können stärker belastete Stellen bei den Satteln der Stützen kontrolliert und entlastet werden. Zuletzt wurde das Seil gespannt. Dafür befestigte INAUEN-SCHÄTTI an den unteren Enden der beiden Tragseile mit einem Verbindungsstück ein Spanngewicht von 170 Tonnen.

Je nach Spannung der beiden Seile hängt dieses Spanngewicht aus Beton etwas höher oder tiefer. Danach wurde die zweite Kabine der Luftseilbahn eingehängt und eine externe Sicherheitskontrolle durchgeführt.

Das alte Seil wurde dagegen nach 36 Jahren hinter der Bergstation zu Rollen aufgewickelt und mit einem Brennschneider abgetrennt. Die portionierten Rollen von drei Tonnen wurden auf einem Lastwagen über das holprige Gelände zurück ins Tal gebracht, wo es entsorgt wurde.

Und so konnte die Gotschnabahn rechtzeitig für die Sommersaison in Betrieb gehen.

Zeitrahmen eingehalten

„Wir halten Termine ein und machen gute Arbeit – auch wenn Aufträge überraschend kommen und wir sehr flexibel und kurzfristig reagieren müssen“, resümiert daher Reto Degen von INAUENSCHÄTTI.

Eine Einschätzung, die das Skigebiet Davos Klosters teilt: Die Seilwechsel für die zweite Sektion der Gotschnabahn sind für 2024 bereits geplant.