JAKOB ROPE SYSTEMS: WENN SEILE SPRECHEN

Was wir aus der Sichtprüfung lernen können.

Die Sichtprüfung von Seilen ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebskontrollen und Wartung einer Seilbahn, die einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Grundsätzlich ist es ja ein gutes Zeichen, wenn bei der Sichtprüfung keine Schäden am Seil zu sehen sind. Falls man mit etwas Geduld und Sorgfalt doch einen Drahtbruch findet, lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen, als nur zwischen gebrochenem und intaktem Draht zu unterscheiden.

Mit dem Wissen, wie ein Drahtbruch entstanden ist, können z.B. Wartungsarbeiten und Prüfintervalle besser bestimmt werden. Durch rechtzeitiges Reagieren lässt sich am Ende die Verfügbarkeit und Lebensdauer eines Seils bestmöglich ausschöpfen. Die Form der Bruchfläche kann dabei wertvolle Hinweise geben, wie der Drahtbruch entstanden ist. Die Seilexperten von JAKOB ROPE SYSTEMS möchten im Folgenden eine kleine Übersicht der wichtigsten Drahtbruchformen und ihrer Ursachen geben.

Mit jeder Biegung wächst der Riss

Der klassische Ermüdungsbruch entsteht durch die ständige Biegung der Drähte, während sie um die Stationsscheiben laufen. Auch das leichte Abheben des Seils unter einer Klemme bei Skiliften oder fix-geklemmten Sesseln auf der Scheibe führt zu Biegungen – deshalb werden die Fahrzeuge in Abhängigkeit der Betriebsstunden regelmäßig versetzt.

Unter Ermüdung versteht man nun die schleichende Verfestigung des Materials, insbesondere an der Oberfläche. Mit der Zeit beginnt diese auf mikroskopischer Ebene einzureißen. Mit jeder Biegung wächst dieser Riss in das Material hinein – bis der Draht bricht. Man kann an der Bruchfläche eines Drahtes erkennen, wie der Riss in den Draht hineingewachsen ist. Ähnlich den Jahresringen eines Baums zeigt sich ein ebener Anteil Bruchfläche, die sich senkrecht – wie geschnitten – zur Drahtachse entwickelt hat. Der geschwächte Restquerschnitt des Drahtes versagt als Gewaltbruch, dieser Bruchflächenanteil ist chaotisch geformt.

Drähte verhalten sich wie Marathonläufer

Wenn Seile mit dem laufenden Betrieb ermüden, dann entwickeln sie mit der Zeit immer schneller Drahtbrüche. Man kann den Ermüdungsprozess der Drähte im Seil mit der Erschöpfung von Läufern bei einem Marathonlauf vergleichen. Alle Läufer erleben eine anspruchsvolle, kräftezehrende Wegstrecke und je näher sie dem Ziel kommen, desto mehr geben aufgrund der großen Anstrengung auf. Die vielen Drähte im Seil ermüden und brechen umso schneller, je länger das Seil durch fortwährende Biegung belastet wurde und je kürzer es vor dem Ende seiner Einsatzdauer steht.

Dass gegen Ende der Seileinsatzdauer bzw. Seillebensdauer immer schneller immer mehr Drähte versagen, nennt man eine exponentielle Entwicklung. Die Fortentwicklung lässt sich sogar sehr gut vorhersagen, wenn man bereits einige magnetinduktive Seilprüfungen und die jeweilige Anzahl der Drahtbrüche vorliegen hat. Wenn man eine Kurve hindurchlegt, wird das Seil in den meisten Fällen dieser Kurve auch in Zukunft folgen. Dieser Trend ist ein wichtiges Kriterium, um den Termin für die nächste Seilprüfung festzulegen, denn die Prüffristen müssen für ein Seil mit steigendem Betriebsalter kürzer werden.

Vielfältige Bruchformen

Die Übersicht zeigt einige weitere Beispiele für charakteristische Bruchflächenformen und ihre Bedeutung. Ein Teller-Tasse Bruch entsteht, wenn Drähte gewaltsam zerrissen wurden. Solche kann man z.B. an gerissenen Abspannseilen oder Pistenwindenseilen finden. Als Einzelbruch in einem ansonsten intakten Seil tritt diese Bruchform nicht auf. Meißelförmige Brüche entstehen durch Abrieb, wenn z.B. Seile über Stahlscheiben laufen oder während der Bewegung eine harte Struktur berührt haben.

Scherbrüche deuten auf eine schwere Verdrehung des Seils oder der Litzen hin, die zum Abscheren des Drahtes geführt hat. Sogenannte „irreguläre“ Bruchflächen entstehen, wenn viele Kräfte und Gewalten gleichzeitig auf ein Seil einwirken. Ein starkes Abknicken, eine Klanke oder das Verheddern und Verklemmen eines Seils an einer Struktur können z.B. zu solchen Bruchformen führen.

Prozente statt absolute Zahlen entscheidend

In den Normen und Vorschriften für Seilbahnen sind die Beurteilungskriterien nicht in der Anzahl der Drahtbrüche, sondern in Prozent des „theoretischen Querschnittsverlusts“ angegeben. Beim Zählen von Drahtbrüchen und der Bewertung eines Seils ist es also sehr wichtig zu wissen, wieviel Prozent am gesamten Seilquerschnitt ein gebrochener Außendraht dieser speziellen Seilkonstruktion ausmacht. In der folgenden Tabelle sind diese prozentualen Anteile eines Außendrahts für klassische Seilkonstruktionen angegeben.

Seilkonstruktion
6×7-FC
6x17S-FC
6x19S-FC
6x36WS-FC

Querschnittsanteil je gebrochenem Außendraht

2,38 %
1,52 %
1,27 %
0,60 %

Immer wieder neue Erfahrungen

Die hier gezeigten Informationen bilden nur einen Ausschnitt der Vielfalt von Seilschäden und Einflüssen ab. Die Erfahrung lehrt uns, dass es rund um Seile immer wieder etwas Neues geben kann – und dass macht den Umgang damit letztlich auch so interessant. Sollte Ihnen etwas unterkommen, das Sie noch nie gesehen haben oder wozu Sie eine zweite Meinung haben möchten, helfen Ihnen die Seilexperten von JAKOB ROPE SYSTEMS gerne weiter.