Von Rotz & Wiedemar – aus alt wird mehr als nur neu

Die Sanierung der Luftseilbahn Biel-Kinzig hebt nicht nur die Anlage auf den neuesten Stand der Technik, sondern setzt auch in der Digitalisierung neue Branchen-Maßstäbe.

Die Luftseilbahn Biel-Kinzig im Urner Schächental (Schweiz) ist weiten Kreisen bekannt. Seit fast 70 Jahren fährt sie für Einheimische und Touristen, vor 46 Jahren wurde sie zum letzten Mal saniert. VON ROTZ & WIEDEMAR hat das „Bähnli“ nun grundlegend modernisiert und sie gemeinsam mit dem Steuerungsspezialisten SISAG in die digitale Welt überführt.

In nur acht Wochen sanierte der innerschweizer Seilbahnspezialist die Pendelbahn in zwei Sektionen. „Die Herausforderungen in der Planung und Umsetzung
der Sanierungsarbeiten bestanden einerseits im straffen Zeitplan, andererseits in der Einhaltung der europaweit geltenden Seilbahn-Normen, welche ebenfalls bei der bereits bestehenden Infrastruktur berücksichtigt werden mussten,“ erklärt Urs Windlin, Projektleiter der VON ROTZ & WIEDEMAR AG.

VON ROTZ & WIEDEMAR konstruierte die Kabinen genau nach Wunsch.

Gründe der Sanierung

„Anlagen, wie unsere Luftseilbahn Biel-Kinzig, müssen heute strengere Auflagen erfüllen als früher“, fügt Bernhard Riedi, Verwaltungsratspräsident der Biel-Kinzig AG hinzu. Die Anlage war tatsächlich schon sehr alt.

Die Kabinen, der Antrieb und die Umlenkung hatten 46 Jahre auf dem Buckel, die Steuerung 30 Jahre. „Derart alte elektronische Teilchen sind fast vorsintflutlich“, so Riedi. Eine Modernisierung war daher schlichtweg ein Muss, nicht zuletzt da sich Betriebsunterbrüche häuften – infolge von Abnützung und Überalterung der technischen Infrastruktur.

Umfang der Sanierung

Nach intensiven Vorbereitungsarbeiten begann die Sanierung Anfang April 2021. Während den rund achtwöchigen Sanierungsarbeiten blieb der Seilbahnbetrieb komplett eingestellt. „Wir haben abgenutzte mechanische Teile wie Seilscheiben, Umlenkräder, Lagerungen und Bremsen aufbereitet oder ersetzt“, sagt Windlin.

Auch die Rollenbatterien wurden gemäß IKSS Vorgaben modifiziert, zugleich wurden die Zugseile an beiden Sektionen ersetzt. Das Tragseil der 1. Sektion wurde verschoben und anschließend auf Verschleiß und Abnützung geprüft. Auf der 2. Sektion wurde das Tragseil durch ein Neues ersetzt.

Weiter haben die Seilbahnspezialisten die Elektromotoren und Getriebe durch neue überarbeitete Komponenten ausgetauscht. „Konkret haben wir die alten Antriebseinheiten durch leistungsoptimierte Asynchronmotoren inklusiv Frequenzumrichter ersetzt, welche sich in der Seilbahnwelt inzwischen etabliert haben und einen robusten und störungsfreien Betrieb ermöglichen,“ sagt Ramon Russi, Projektleiter der SISAG AG.

VON ROTZ & WIEDEMAR AG hat die Kabinengehänge sowie die Laufwerke geprüft und an die neuesten Auflagen angepasst. Bei den Stützen wurden Podeste & Absturzsicherungen gemäß Vorgaben der SUVA nachgerüstet.

Die alten Motoren wurden durch neue ersetzt. Fotos: biel-kinzigag.ch

Die Moderne zieht ein

Zusätzlich wurde die komplette elektrische Steuerung durch die SISAG erneuert und die Stationen mit einem vorgeschriebenen und zeitgemäßen Überwachungssystem ausgestattet.

Weitere Maßnahmen zur Anpassung an die gesetzlichen Vorschriften sind die automatische Kabinentürverriegelung während der Fahrt sowie die Lastmessung in den neuen Kabinen.

Neu erhielt die Bahn eine moderne Steuerungs-, Überwachungs- und Sicherheitseinrichtung, wodurch sich die Maschinisten zusätzlich auf technische Unterstützung im Seilbahnbetrieb, wie beispielsweise einer automatischen Anpassung der Fahrgeschwindigkeit bei Wind, verlassen können.

Zudem können die Maschinisten die Bahn ab sofort über moderne Touchscreens von der Mittelstation aus bedienen und für Fahrgäste wird die Fahrtanmeldung dank einer Gegensprechanlage vereinfacht. Im Bereich der Steuerung und Überwachung wurden die im Jahr 1990 eingebauten Anlagen für beide Sektionen komplett neu aufgebaut und den neuesten Auflagen angepasst.

Neue Kabinen

Ein weiterer, ausschließlich für die Sanierung der Luftseilbahn angepasster Bestandteil sind die Kabinen. Die Ingenieure der VON ROTZ & WIEDEMAR AG haben die Kabinen anhand der Bedürfnisse der Biel-Kinzig AG konstruiert.

Mit einer automatischen Kabinentür, einer tieferen Einstiegshöhe und einem breiteren Kabineneingang entsprechen die Kabinen den gesetzlichen Vorschriften und bietet den Fahrgästen gleichzeitig einen komfortablen Einstieg in die Kabine.

Dank einer gebauchten Form bleibt den Gästen in der Kabine mehr Bewegungsfreiraum, während die Personenkapazität der Gondel nach wie vor bei acht Personen liegt.

Wege der Digitalisierung

Weitergehen soll es auch in Sachen Digitalisierung. Damit die Menschen auch nachts mit der Seilbahn fahren können, mussten sie bisher einen Jeton einwerfen. Ab sofort kommt für die Anwohner die digitale Fahrkarte SISTQ von SISAG zum Einsatz (siehe auch Ausgabe SI 3/2021).

Mit dem Handy kann der Gast ganz einfach den QR-Code an der Tal-, Mittel- oder Bergstation einscannen und dann einen Fahrbefehl auslösen. Bezahlt wird per Rechnung, TWINT oder Webshop. Zusätzliche Hardware vor Ort wird keine benötigt.

„Die Smartphone-Lösung haben wir im ersten Schritt für die Anwohner geschaffen, eine Ausweitung für Touristen ist angedacht. Die Fahrgäste können den QR-Code per Handy einscannen, die Fahrt so abrechnen und dann den Knopf drücken. Die Bahn fährt anschließend automatisch los“, so Riedi.

Erhalt eines Seilbahn-Unikats

Nun fährt die Luftseilbahn Biel-Kinzig seit Anfang Juni 2021 auf dem neuesten Stand der Technik. Zwei Millionen Franken kostete die Sanierung der Schächentaler-Bahn. Bei so einer Anlage sei es eben wichtig, dass sie weiterfährt, ist Riedi überzeugt: „Wenn eine Seilbahn funktioniert, genutzt wird und 70 Jahre lang seinen Dienst geleistet hat, wäre es schade, wenn man sie einfach fallen lässt!“ ts