Zugspitze „Top of Germany“

Strategien eines Tourismusmanagements

Personalmangel, Overtourism und Klimadiskussion – das sind die drei Themen, mit denen sich die Seilbahn Zugspitze zurzeit besonders beschäftigt. „So mussten wir etwa ein Event aus Personalnot absagen, waren mit einer Zeitungskampagne gegen neue Touristenströme beschäftigt und müssen beinahe
täglich Presse-Statements zum Klimawandel stellvertretend für die ganze Seilbahnbranche liefern“, nennt Klaus Schanda drei konkrete Beispiele. Der Marketingleiter der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG  (BZB)  gab im Rahmen der Tagung „Best Summer Resorts“ Einblicke in die Strategien der Ganzjahresdestination.

Grundsätzlich ist für die Zugspitze nicht Garmisch-Partenkirchen am Fuße des Berges der wichtigste Tourismusort,
sondern die 100 Kilometer entfernte Großstadt München. „Wir haben großteils Tagesgäste, die in München wohnen oder Urlaub machen. Unser Fokus liegt als auf der Entwicklung der bayerischen Landeshauptstadt, mit der wir marketingtechnisch eng zusammenarbeiten“, sagt Schanda. 614 Hotels und 95.000 Betten zählen Stadt und Landkreis München. 17 Millionen Übernachtungen und 100 Millionen Tagesgäste werden jährlich verzeichnet.

„Und die Entwicklung zeigt weiter nach oben: Allein 2018 wurden 20 neue Gästehäuser und 19 Hotels in München aus dem Boden gestampft“, betont der Marketingleiter. 60 weitere Hotels sollen in den kommenden Jahren folgen.

„Inzwischen kämpfen wir mehr um Mitarbeiter als um neue Gäste!“

Zugspitze ist Muss-Besuch der Chinesen

Die Entwicklung Münchens ist deswegen so wichtig, da die Zugspitze kein klassisches Skigebiet ist, sondern eine Ganzjahresdestination. „Dreiviertel unserer
Gäste auf der Zugspitze sind Nicht-Skifahrer, wir verzeichnen im Sommer mehr Besucher als im Winter,“ erläutert Schanda. Die wichtigsten Gästegruppen
Münchens – und damit der Zugspitze – kommen aus China, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

„Die Chinesen bleiben im Schnitt 2,6 Tage und geben 201 Euro täglich aus, die Russen verbringen durchschnittlich 6,7 Urlaubstage und benötigen 367 Euro pro Tag“, berichtet Schanda. Da verwundert es nicht, dass die BZB vor allem im chinesichen Markt Zeit und Geld investiert. „Chinesen sind Statussymbole unglaublich wichtig.

Der Besuch der Zugspitze kann ein solches Symbol sein“, sagte Schanda kürzlich in einem Interview mit dem Münchner Merkur. Regelmäßig fahren Vertreter der BZB in die vier wichtigsten Städte Peking, Shanghai, Hongkong und Guangzhou. Zuletzt flog Matthias Stauch, Vorstand der BZB, nach China. Er führte Gespräche, traf sich mit Top-Managern aus der Reise- und Touristikbranche – zu neudeutsch: „networking“.

Für Schanda kein hohles Modewort, sondern „das A und O“. Die Märkte, sagt er, gelte es, kennenzulernen und zu verstehen, um sie optimal zu bearbeiten. „Man muss wissen, wie die Länder und ihre Menschen ticken.“ So lernte Schanda auch: Chinesen achten auf Funktionen. Stauchs Chef-Besuche – es war der dritte – werden überaus geschätzt. Offensichtlich machen sich Reisen wie diese bezahlt.

Die Anzahl der Gäste aus Asien und China steigen kontinuierlich. Bei der BZB von etwa 80 000 im Jahr 2013 auf etwa 100.000 aktuell. Finanziell an der Spitze stehen dagegen die Gäste aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die 12,5 Tage in München und Umgebung bleiben und 513 Euro am Tag ausgeben. „Wir werben in dieser Gästegruppe aber nicht mehr akitv, da diese bei Einheimschen oft Fremdenangst auslöst“, so Schanda.

Kooperationen mit Fluglinien

Wichtigster Marketing-Partner der Zugspitze ist der Flughafen München. „Wir haben nicht so ein großes Budget, wie etwa Tirol Werbung oder die Jungfraubahnen. Deswegen sind wir auf große Partner angewiesen“, sagt Schanda. Auch mit Airlines ist die Zugspitze Kooperationen eingegangen, etwa mit der Lufthansa.

Unter dem Motto „Out of the plane. Up on the slopes“, warb man um Skigäste, die mit dem Flugzeug anreisen. Das Passagieraufkommen stieg massiv, etwa in
Schweden um 114 Prozent, in Rumänien um 140 Prozent und in Norwegen um 211 Prozent. „In Polen verzeichnete Lufthansa sogar 256 Prozent mehr Fluggäste“, erläutert Schanda. Tragischerweise zerschellte 2015 eine Germanwings- Maschine an einem Berg, weshalb Lufthansa die Kooperation einstellte.

Derzeit laufen jedoch erfolgreiche Kampagnen mit Air China und Thai Airways. „Wir fliegen beispielsweise thailändische Influencer ein, die dann von der Zugspitze berichten“ führt der Marketingleiter aus. Thailand sei der zweitwichtigste asiatische Markt für „Top of Germany.“

Skizug gegen Overtourism

Der große Andrang auf die Zugspitze – pro Jahr sind es rund eine halbe Million Besucher – löst aber auch Ängste und Probleme bei den Einheimischen aus –
Stichwort Overtourism. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, hat die BZB schon vor Jahren zusammen mit der Deutschen Bahn das Garmischer Ski Ticket ins Leben  gerufen. Damit gelangen Skifahrer vom Münchner Hauptbahnhof direkt auf die Piste der Skigebiete Zugspitze und Garmisch-Classic – ohne Stau, Stress und Umweltbelastung. Der Skipass ist im Preis des Kombitickets  (zwischen 42 und 60 Euro)  bereits inbegriffen.

Kreative Personalsuche

Eine weitere Herauforderung, vor der die BZB steht, ist der Personalmangel. „Dazu haben wir schon mehrere Kampagnen gestartet – darunter eine, in der Mitarbeiter für eine Prämie um Kollegen werben“, erklärt Schanda. Der neueste Clou: Kreative Videos mit einem Koch, dem Kräuter auf der Brust sprießen, einer
Servicekraft mit zehn Händen und einem Elektriker mit Laseraugen.

Denn der klassische Weg – Meldung beim Arbeitsamt, Stellenanzeige, interner Aushang und Jobangebote auf der eigenen Internetseite – brachte keinen Erfolg. „Progressiv“ nennt der Marketing-Chef die Videos, die schon im Umlauf sind. „Unser Ziel ist es, Aufmerksamkeit und Reichweite zu generieren.“ Insgesamt erreichte die BZB mit ihren Filmen schon über eine Million Nutzer, eine Zahl, die Schanda und auch die übrigen Verantwortlichen zuversichtlich stimmt.