,,Ein Versuchsballon für die große Lösung!“

Städtetouristische Seilbahnen können eine Blaupause für urban-alltägliche Anlagen sein – davon ist Seilbahnplaner Stephan Salzmann überzeugt. Im SI Interview spricht der Experte über den Sinn von Ausflugsbahnen, welche Fragen sich Initiatoren stellen müssen und welche Erfolgsfaktoren es gibt.

SI Urban: Herr Salzmann, als langjähriger Seilbahnplaner haben Sie viel Erfahrung im Planen, Bauen und Betreiben von Seilbahnen. Wann machen städtetouristische Anlagen Sinn?

Stephan Salzmann: Es gibt drei Gründe für derartige Seilbahnen: Erstens, die Stadt hat bereits einen Anziehungspunkt für Touristen – etwa auf einem Berg, auf einer Insel oder auf der anderen Seite eines Gewässers. Oder die Stadt hat einen noch unerschlossenen Ort mit viel touristischem Potential. Zweitens, der Weg dorthin kann bisher nur langsam, unkomfortabel oder mit negativem Effekt auf die Umgebung zurückgelegt werden. Und drittens, die Fahrt zum Ausflugsziel ist dank dem Panorama ein Erlebnis für sich.

Was kann eine städtetouristische Seilbahn bewirken?

Eine Seilbahn kann Besucherströme lenken – sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Sie kann der Initiator für mehr Gäste sein – oder den Zustrom zu überlaufenen Destinationen begrenzen. Und nichtzuletzt kann die touristische Seilbahn ein Versuchsballon für die große Lösung sein, also für urbaalltägliche Seilbahnen. Denn mithilfe von Ausflugsbahnen lässt sich die Seilbahn als Verkehrsmittel in den Köpfen der Menschen verankern!

Interview

Die Seilbahn in St. Johann soll das Stadtzentrum, den Bahnhof und den touristischen Stadtteil Alpendorf verbinden. Foto: SALZMANN

Was muss denn in den Köpfen hängen bleiben?

Die Menschen müssen verstehen, dass die jeweilige Seilbahn machbar ist und Sinn macht. Die Seilbahn darf nur Plätze erschließen, die bereits als Attraktionen funktionieren – oder das Potential dazu haben.

Sie muss eine Verbesserung des IST-Zustands bewirken, also dass sie eine touristische Sogwirkung auslöst, aber gleichzeitig den Autoverkehr verringert oder die Destination auch für mobil beeinträchtigte Personen zugänglich macht.

Die Strecke sollte spektakulär sein, die Förderleistung angemessen, die Betriebskosten, sowie die Finanzierung tragbar. Auch der richtige Strommix kann dazu beitragen, dass das – von sich aus bereits umweltfreundliche – Transportmittel noch stärker akzeptiert wird. Nicht zuletzt sollte die Imagewirkung einer Seilbahn in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen.

Welche technischen Fragen benötigen eine Antwort?

Um das passende Seilbahnsystem zu finden, gilt es zu klären, welche und wie viele Gäste transportiert werden müssen, wie viele Touristen das Ausflugsziel verträgt und wie lange sie dort bleiben sollen. Grundsätzlich sind Sesselbahnen ungeeignet, da eine städtetouristische Seilbahn wetter-unabhängig fahren und Rollstuhlfahrer, Kinderwagen oder Fahrräder transportieren soll.

Daher sind Umlauf-, Pendel- und Standseilbahnen die Systeme der Wahl – je nach geplanter Förderleistung und Topographie. Pendelbahnen haben den Vorteil, dass sie geringere Betriebskosten haben, indem sie nur in Intervallen fahren und wenige Stützen benötigen. Umlaufbahnen können dagegen ohne Wartezeiten permanent Menschen transportieren.

Wer eine sehr hohe Förderleistung will, kurvige Strecken fahren muss und ein gleichmäßiges Gelände hat, kann auf eine Standseilbahn setzen. Das ist aber meist die teuerste Lösung.

Worauf gilt es im urbanen Kontext besonders zu achten?

Die Seilbahn darf nicht isoliert betrachtet werden. Der Anschluss an den öffentlichen Verkehr und ein durchdachtes Parkkonzept sind unabdingbar, um die Anwohner ins Boot zu holen. Generell sollte eine touristische Seilbahntrasse starke Verbauung meiden. Ich rate den Verantwortlichen bei Seilbahnplanern, wie wir es sind, ein Anforderungsprofil mit Variantenstudium erstellen zu lassen.

Anschließend sollten betroffene Anrainer und Grundbesitzer so früh wie möglich eingebunden werden, sowie das öffentliche Interesse anhand einer Bürgerbeteiligung geweckt werden. Erst dann kommt es zu einer Machbarkeitstudie, in der wir die Kosten seriös schätzen können.

Wie sieht diese Vorgehensweise in der Praxis aus?

Ein Best-Practice-Beispiel ist die österreichsche Tourismusdestination St. Johann. Für die Alpenstadt hat mein Planungsbüro kürzlich eine Machbarkeitstudie durchgeführt. Ziel ist eine städtetouristische Seilbahn zwischen dem Ortskern von St. Johann, dem Bahnhof und dem touristischen Stadtteil Alpendorf.

Dazu erhoben wir vier Trassen- verläufe mit günstig gelegenen Start- und Zielstandorten und prüften diese auf Seilbahn- und sicherheitstechnische, sowie rechtliche Umsetzbarkeit. Hier zeigte sich, dass die kostengünstigste, direkte Variante über bebautem Gebiet aus rechtlichen und politischen Gründen wohl nicht umsetzbar sein wird.

Zwei andere Trassen mit direkter Anbindung an den Bahnhof und mögliche Erschließung eines günstig gelegenen Parkplatzes sind deutlich realistischer. Da eine Seilbahn wie gesagt nicht isoliert betrachtet werden darf, haben wir Verbindungsvarianten ausgearbeitet. Um Stadtzentrum und Bahnhof anzubinden, sind daher eine zusätzliche Seilbahnsektion oder ein Fußgängertunnel angedacht.

Was verspicht sich St. Johann von der Seilbahn?

Die Seilbahn soll ganzeitlichen Nutzen stiften. Priorität haben sichere und komfortable Verbindungen für die Fahrgäste und die hohe Verfügbarkeit des Verkehrsmittels. Wichtige Ziele sind zudem die Werbefunktion für die Stadt und das Skigebiet mit direkter Anbindung des Bahnhofs, die Entlastung der Verkehrs- und Parksituation in und um St. Johann und die Attraktivierung der gesamten Hotellerie und Gastronomie.

Wie lässt sich solch eine Seilbahn denn finanzieren?

Primär durch den Ticketverkauf. Denn eine städtetouristische Seilbahn sollte zumindest im Betrieb kostendeckend arbeiten. Aber auch bei Defizit kann eine Seilbahn eine sinnvolle Institution sein, wenn sie die Stadt für Touristen attraktiver macht und dadurch die lokale Wirtschaft ankurbelt. Bei den Investitionskosten können Public-Private-Partnership-Modelle und die Beteiligung von Stakeholdern, wie die Gastronomie, Finanzierungslösungen sein.

Inwiefern könnten touristische Seilbahnen nun eine Blaupause für urbane Seilbahnen sein?

Ausflugsbahnen unterscheiden sich kaum von urbanen Anlagen. Bei touristischen Bahnen sind vielleicht die Betriebszeiten kürzer und die Fahrtzeiten länger, um den Ausblick besser zu genießen. Oder es werden große Panoramafenster installiert, während bei Stadtseilbahnen die Scheiben für mehr Privatsphäre verdunkelt werden. Eventuell werden die Stationen anders inszeniert und beeinhalten anstatt eines Supermarkts einen Souvenirshop. Aber ansonsten lassen sich die Erfahrungen und Konzepte leicht übertragen!

Das Interview führte Thomas Surrer (ts)