Erfolgsfaktoren am Seil: Woran manche Seilbahnprojekte scheitern

Was sind die Ursachen dafür, dass eine urbane Seilbahn in Bogotá, Kolumbien, eine realisierbare Lösung ist, in Göteborg, Schweden, jedoch nicht? Dieser Frage ist die Technische Universität (TU) Wien nachgegangen.

Die Forscher betrachteten zunächst die beiden Städte an sich, um herauszufinden, warum die Seilbahn „Transmicable“ in Bogotá realisiert wurde, die „Linbanan“- Seilbahn in Göteborg dagegen nicht.

Vergleich der Städte

Wie man anhand der Fakten unschwer erkennen kann, sind Bogotá und Göteborg zwei sehr unterschiedliche Städte. Bogotá hat eine 14-mal größere Bevölkerung und eine 7-mal höhere Bevölkerungsdichte als Göteborg. Göteborg ist eine reichere Stadt als Bogotá, und die Schere zwischen Arm und Reich in Bogotá viel größer.

Die Seilbahn in Bogotá

Die „TransMiCable“ in Bogotá zielt darauf ab, den öffentlichen Verkehr zu stärken. So beginnt die Seilbahn in Mirador del Paraíso, einem Stadtteil am Berg, der ansonsten schlecht angebunden ist und durch informelle Siedlungen geprägt ist. Anschließend führt die Seilbahn hinab zu den Stationen Manitas, Juan Pablo und Tunal.

Dort gibt es Umsteigemöglichkeiten zu Bogotás Bussystem TransMilenio. Die Seilbahn verlängert das Verkehrsnetz um weitere 3,34 Kilometer nach Süden. „TransMiCable“ benötigt dazu 24 Stützen und fährt mit 163 Kabinen. Die Förderleistung entspricht 3.600 Personen pro Stunde und die Seilbahn transportiert realistisch 25.000 Menschen pro Tag.

Die Seilbahn in Göteborg

Die geplante Seilbahn in der Stadt Göteborg wollte den Autoverkehr und die Emissionen verringern, die Pendelzeit verkürzen und neue Verkehrslösungen testen. Die „Linbanan“-Seilbahn wäre in Järntorget gestartet, hätte den Fluss Göta älv überquert und in Lindholmen an der Universität und dem Science Park gestoppt.

Weiters wollte die Seilbahn das Naherholungsgebiet Västra Ramberget erschließen und am Mobilitätshub Wieselgrensplatsen enden. Die Seilbahn befände sich somit inmitten eines bestehenden Verkehrsnetzes. Die drei Kilometer lange Seilbahn hätte sechs Stützen benötigt.

Vergleich der Seilbahnen

Beide Städte planten eine Seilbahnlinie, jedoch mit unterschiedlichen Absichten und Umständen. Mit einer Länge von um die drei Kilometern und vier Stationen ähneln sich jedoch die technischen Spezifikationen.

Das urbane Seilbahnsystem in Bogotá verbindet die armen, steilen Außenbezirke der Stadt mit einem Knotenpunkt für Verbindungen zum Stadtzentrum.

In Göteborg wären zwei zentrale, belebte Orte, die derzeit durch einen Fluss getrennt sind, direkt miteinander verbunden worden, um die Pendelzeit zu verkürzen.

Ein großer Unterschied besteht in der Gestaltung der Seilbahnsysteme: Bogotá entschied sich für ein Standarddesign und eine Standardlösung, während Göteborg ein einzigartiges Design von Stationen und Säulen entwickelte.

Der Projektablauf in Bogotá

Die Seilbahn in Bogotá wurde rasch implementiert. 2014 wurde die Stadt durch die Seilbahn in La Paz auf die Verkehrslösung aufmerksam und bereits 2015 unterschrieb sie den Vertrag mit dem Hersteller DOPPELMAYR.

Im Herbst 2018 folgte erste Schritte mit Studien und Design-Koordinierungen, gleich darauf begann der Bau, sodass die „TransMiCable“ noch Ende des Jahres eröffnet wurde,

Der Projektablauf in Göteborg

2013 untersuchte die Stadtverwaltung Göteborg erstmals die Idee einer urbanen Seilbahn. 2015 wurden Trassenvorschläge aus der Bevölkerung eingeholt, 2016 die beste Seilbahnlinie aus den Rückmeldungen der Bürger geplant.

Dann geschah zwei Jahre lang wenig, bis 2019 der Prozess gestoppt wurde: Bürgerinitiativen und die Opposition stellten sich gegen das Projekt.

„Linbanan“ in Göteborg

Die Seilbahn „Linbanan“ in Göteborg wurde nie realisiert. Foto: forlivochrorelse.se

Vergleich der Projektabläufe

In Göteborg war der Prozess langwierig und bot der Öffentlichkeit mehrere Gelegenheiten zur Stellungnahme. In Bogotá wurde es als eine Notwendigkeit angesehen, weshalb die Regierung die Öffentlichkeit wenig in den Prozess einbezog.

Evaluation der Seilbahn in Bogotá

Auch wenn es immer noch Kritik an der Eröffnung der „TransMiCable“ gibt, war das System laut Studie ein Erfolg. Die Ziele – den öffentlichen Verkehr zu stärken und die Umgebung an das Stadtzentrum anzubinden – wurden erreicht.

Die Integration der Seilbahn in das Verkehrsnetz funktioniert sehr gut und die Lebensqualität der Fahrgäste wurde erheblich verbessert. Die Zielgruppen sind weniger reiche Menschen und Touristen, als vielmehr arme Personen und Einheimische.

Evaluation des Göteborg-Projekts

Die „Linbanan“-Seilbahn konnte ihre Ziele dagegen nicht erreichen: Die Bürger lehnten das Projekt mit der Begründung ab, dass es ihr Alltagsleben nicht wirklich und nur zu unvertretbaren Kosten verbessern würde.

Die sozialen Belange konnten somit nicht erfüllt werden. Mit den wenigen, aber individuell gestalteten Seilbahnstützen wäre das Landschafts- bild laut TU Wien jedoch bereichert worden.

Die Integration der Seilbahn in das öffentliche Verkehrsnetz wäre dagegen sehr schlecht gewesen. Auch die Zielgruppe wäre eine ganz andere als in Bogotá: Die Fahrgäste wären aus wohlhabenden Schichten gekommen, zudem wären mehr Touristen als Einheimische in den Kabinen unterwegs gewesen.

Fazit der TU Wien

Warum wurde nun eine urbane Seilbahn in Bogotá realisiert, in Göteborg dagegen nicht? In Bogotá kristallisiert sich ganz klar der Nutzen heraus: Die Seilbahn verlängert das bestehende Verkehrsnetz und verbessert das Leben der Einheimischen erheblich.

In Göteborg hätte sich der Nutzen der Seilbahn dagegen hauptsächlich auf den Tourismus beschränkt. Die Bürger sahen die Seilbahn als reines Prestige-Projekt an. Deswegen wurde die „Linbanan“ nie Realität.