Lukas Praxmarer – DER POLITISCHE WILLE MUSS DA SEIN

Wie funktioniert eine Machbarkeitsstudie für urbane Seilbahnen? Lukas Praxmarer, Geschäftsführer und Verkehrsingenieur der BERNARD Gruppe, zeigt am Beispiel der österreichischen Stadt Innsbruck, worauf es ankommt – und warum er auch prüft, wo Seilbahnen keinen Sinn machen.

SI Urban: Herr Praxmarer, wann macht eine Machbarkeitsstudie zu urbanen Seilbahnen überhaupt Sinn?

Lukas Praxmarer: Seilbahnen müssen – im Gegensatz zu etablierten Verkehrsmitteln – höhere Hürden in den Köpfen der Menschen überwinden. Daher muss der grundsätzliche politische Wille schon vor einer Studie da sein. In unserem Fall wurden wir von der Stadt Innsbruck und dem Land Tirol beauftragt, das Potential von Seilbahnen im östlichen und westlichen Mittelgebirge sowie in der Stadt selbst zu prüfen.

Wie sind Sie konkret vorgegangen?

Zunächst haben wir die Planungsgrundlagen erhoben, wie Topographie, Siedlungsstrukturen, Verkehrsströme und Naturgefahren. Die Daten bekamen wir von staatlichen Stellen. Eine große Rolle spielt das Tiroler Verkehrsmodell, in dem das Mobilitätsverhalten der Region dokumentiert ist. Zweite wichtige Säule waren die Workshops mit den betroffenen Gemeinden.

Zusammen erhoben wir die Mobilitätsbedürfnisse vor Ort und definierten Verkehrsknotenpunkte, an denen Seilbahnstationen sinnvoll sein könnten. Hier ging es auch um Standorte im Tal, die den Bedarf von höher gelegenen Siedlungen abdecken könnten.

In dieser Phase behandelten wir noch gar nicht die Verbindung der Punkte zu Seilbahnstrecken.

Und wie fanden Sie dann die zu prüfenden Seilbahntrassen?

In Innsbruck galt die Vorgabe, dass Seilbahnlinien nur über unbebautem Gebiet möglich sind. So will die Politik Akzeptanzprobleme und Rechtsstreitigkeiten vorab verringern.

Generell müssen die Routen technisch Sinn machen, sollten Gefahrenquellen aus dem Weg gehen und auf Naturschutz und Landschaftsbild achten.

In dieser Phase wissen wir aber noch nicht, ob die Seilbahnstrecken verkehrlich überhaupt Sinn machen.

Exakt. Deswegen erfolgt im nächsten Schritt eine Potentialanalyse der aussichtsreichsten Varianten. In Innsbruck prüften und bewerteten wir die direkten Fahrbeziehungen und verglichen die Reisezeiten der bestehen den Verkehrsmittel mit der jeweiligen Seilbahn.

Zur Abschätzung möglicher Fahrgastpotentiale griffen wir einerseits auf Rechenmodelle zu den Verkehrsströmen zurück. Andererseits auf unsere Erfahrungen mit Tarifmodellen, Zubringersystemen, etwa Bus und Rad, und touristischen Effekten an Wochenenden und in Ferienzeiten.

In Innsbruck haben wir zudem „weiche“ Kriterien der Verkehrsmittelwahl berücksichtigt, wie Umweltaspekte und den Seilbahnbonus, also die tarifliche Unterstützung durch staatliche Seite. Die Potentiale haben wir dann auch auf einzelne Seilbahn-Abschnitte heruntergebrochen.

Inwiefern?

Diese Vorzugsvariante birgt mit bis zu 8.400 Wegen pro Tag großes verkehrliches Potential und kombiniert Alltags- und Freizeitwege. So startet die erste Sektion der Seilbahn im urbanen Zentrum Sillpark, bindet den Hauptbahnhof an und erschließt das Geschäfts- und Veranstaltungszentrum Olympiaworld. Hier soll auch ein Busterminal entstehen, idealerweise in Kombination mit der Seilbahnstation.

Die zweite Sektion erschließt die Mittelgebirgsgemeinden Lans und Igls. Sie spart Busverkehr ein, der vom Mittelgebirge nach Innsbruck fährt, und macht das Fahrrad für Pendler attraktiv.

Die dritte Sektion zur Talstation der bestehenden Patscherkofelbahn hat vor allem einen hohen Freizeitwert. Touristen und Einheimische können quasi im Hauptbahnhof ein- und direkt am Skigebiet und Erlebnisberg aussteigen.

Welche Herausforderungen birgt die gewählte Trasse?

Die erste Sektion befindet sich mitten in der Stadt und muss zwei enge Kurven bewältigen. Deswegen soll sie nach dem City-Cable-Car-Konzept umgesetzt werden: Die Kabinen fahren hier auf Schienen statt am Seil.

Diese Technologie ist zwar fertig entwickelt, wurde aber noch nie in der Praxis umgesetzt. Das birgt ein gewisses Risiko. Die anderen beiden Sektionen sind als klassische Einseilumlaufbahn konzipiert.

Hier ist das Überfahren von Autobahn, Stromleitungen und einem Golfplatz der Knackpunkt. Auch der Wind könnte herausfordernd sein und möglicherweise sogar eine Dreiseilumlaufbahn nötig machen.

Wichtig ist auch, dass die Seilbahn tariflich im Ticketverbund integriert wird und Effekte, wie die Kleingüterlogistik und der Preisaufschlag für den Freizeittransport ausgenutzt werden.

page35image57683392 page35image57676672

SEILBAHN Innsbruck – Lans/Igls – Patscherkofel

Sektion 1 Sektion 2 Sektion 3
Länge 1240 m 2390 m 1909 m
Höhendifferenz 0 m 270 m 153 m
Förderleistung 2400 P/h 2,400 P/h 2400 P/h
Kabinen 28 63 50
Geschwindigkeit 6,5 m/s 6,5 m/s 6,5 m/s
Fahrzeit 4 min 8 min 7 min