Mobility pricing – Verkehr modern finanzieren

Ob Seilbahn, Stadtbus oder Straße – öffentlicher Verkehr und Infrastruktur müssen finanziert werden. Statt starre Steuern, Gebühren und Ticketmodelle kann Mobility Pricing eine zukunftsfitte Lösung sein, die nicht nur die finanzielle Lage der Betreiber verbessert.

Ein Erfolgsrezept für Mobility Pricing ist in der Schweiz zufinden. Dort will das Bundesamt für Straßen mithilfe von Mobility Pricing den Umstieg der Menschen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel erreichen. „15 Prozent der Verkehrsleistung in der Schweiz fallen auf die Bahn, damit sind wir die Nummer 1 in der Welt.

Trotzdem besteht unser Verkehr zu 75 Prozent aus motorisiertem Individualverkehr“, umreißt Jürg Röthlisberger, Direktor des Schweizer Bundesamts für Straßen, das Problem auf den Salzburger Verkehrstagen. Die Staustunden nehmen jährlich zu und verursachen jeweils eine Milliarde Franken Schaden.

Ein weiteres „Problem“: Die fortschreitende Dekarbonisierung des Verkehrs reduziert kontinuierlich die staatlichen Einnahmen aus der Mineralölsteuer.

„Mobility Pricing kann diese und ähnliche Steuern und Abgaben ersetzen, eine Überlastung von Straßen verhindern und den Umweltschutz vorantreiben“, betont Röthlisberger.

Grundsätzlich hat Mobility Pricing zwei Elemente: Erstens, Preise in Abhängigkeit zur zurückgelegten Distanz im ganzen Land (Kilometerabgabe); Zweitens, zeitlich differenzierte Preise in Räumen mit großen Verkehrsüberlastungen (Spitzenzeitenperimeter).

GRUNDPRINZIPIEN MOBILITY PRICING

  • Pay as you use: Leistungsbezogene Benutzungsgebühren
  • Kompensation: nicht mehr, sondern anders Bezahlen
  • Verteilungswirkung: Mobilität muss für alle erschwinglich bleiben
  • Intermodalität: umfasst Straße und Verkehrsmittel gleichzeitig und eine Bepreisungnach vergleichbaren Grundsätzen
  • Modularer Aufbau: schrittweiser Aufbau und Erweiterung
  • Datenschutz: ist integrales Prinzip in der Planung und Umsetzung
  • Transparenz: für die Nutzer transparent und übersichtlich

Bonus-Malus-Modell

„Die Spitzenzeitenperimeter werden anhand von urban geprägten Stadtlandschaftendefiniertundbetreffen zeitlich je zwei Stunden am Morgen (7 bis 9 Uhr) und am Abend (17 bis 19 Uhr)“, sagt Röthlisberger. Der Bundesamt-Direktor betont, dass die Spitzenzeiten im privaten und öffentlichen Nahverkehr identisch sind.

Der Clou des Mobility Pricings ist ein Tarifmodell mit einer Art „Bonus-Malus“ innerhalb des Spitzenzeitenperimeters. Es gibt also – neben dem Durchschnittstarif – einen teureren Spitzenzeiten- und einen günstigeren Randzeitentarif.

„Mit dieser Spreizung wollen wir die Menschen dazu bringen, nicht in der Rushhour zu fahren – egal ob mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem eigenen Auto“, so Röthlisberger. In Spitzenzeiten soll nur noch fahren, wer muss.

Mobility Pricing am Beispiel des Ballungsraums Zug mit Spitzenzeitenperimeter (blau umrandet) und Untersuchungsgebiet (schwarz umrandet). Grafiken: INFRAS

Verkehrliche Wirkung

Der Einfluss von Mobility Pricing auf das Verkehrsaufkommen war in der Modellrechnung des Schweizer Ballungsraums Zug deutlich zu sehen: Die Verkehrsmengen reduzierten sich in den Spitzenzeiten um neun bis zwölf Prozent im Autoverkehr, sowie um fünf bis neun Prozent im öffentlichen Verkehr.

„Durch die Entzerrung des Verkehrsaufkommens wird die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln komfortabler. Enge Taktzeiten zur Rushour und Fahrten on demand in den Randzeiten werden möglich“, erläutert Röthlisberger. Autofahrer erhalten wiederum mehr Zeitsicherheit, da sie kaum Staus befürchten müssen.

Verteilungswirkung

Klar ist aber auch, dass Mobility Pricing Folgen für die Geldbeutel der Menschen hat. Es ersetzt nicht nur die Straßensteuern und -abgaben, sondern auch bisher übliche Transportentgelte.

Während zeitlich flexible Haushalte entlastet werden, werden unflexible Haushalte, die meist der unteren Einkommensklasse angehören, belastet. Doch selbst im Worst-Case Szenario kommen auf die Menschen nicht mehr als 0,9 Prozent ihres Bruttohaushaltseinkommen hinzu, betont Röthlisberger: „Mobilität bleibt auch mit Mobility Pricing für die meisten bezahlbar.

Für unflexible Haushalte der untersten Einkommensklasse besteht zwar unter gewissen Umständen ein Risiko für problematische Mehrkosten. Diese könnten jedoch mit gezielten konzeptionellen Anpassungen reduziert werden.“

Weitere Wirkungen

Negative Nebeneffekte auf weitere Bereiche wurden keine festgestellt – im Gegenteil. „Wir sehen leicht positive Effekte in der räumlichen Entwicklung und in der Wirtschaft. So steht etwa der Liefer- und Dienstleistungsverkehr nicht mehr im Stau“, sagt der Bundesamt-Direktor.

Nicht zuletzt hat Mobility Pricing spürbar positive Effekte auf Luftschadstoff- und Treibhausgas-Emissionen. ts