Paradise Cities? Wie urbane Seilbahnen das Stadtbild in Lateinamerika prägen

Die Städte verändern sich kontinuierlich, nicht zuletzt im Bereich des Verkehrs. Mit dem zunehmenden Einzug der Seilbahn in den urbanen Raum gehen weitreichende Auswirkungen auf diesen einher. Die südamerikanischen Großstädte Bogotá, Mexiko­-Stadt und La Paz setzen auf urbane Seilbahnen und weisen dementsprechende, von diesen Anlagen induzierte Veränderungen, im Stadtbild auf. Studierende der TU Wien untersuchten die Entwicklungen.

Urbane Seilbahnen bedeuten besonders für die Großstädte Lateinamerikas eine enorme Verbesserung im öffentlichen Verkehrswesen. Sie erlauben den Menschen, die oft enormen Höhenunterschiede in und um die Städte leichter zu überwinden. Doch die Vogelperspektive erlaubt auch ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Stadt.

Architektur, die auf das neue Stadtbild reagiert:

Straßenlaternen (1), Sonnenschirme (2) und öffentliche Räume (3). Bilder: TU Wien

Werbung

Der Blick von oben zeichnet ein ganz neues Bild von der jeweiligen Stadt und zeigt somit viel Fläche, die von Firmen genutzt werden kann, um Werbung zu platzieren. Unternehmen mit langfristigen Werbeinteressen bringen häufig Werbung auf den Stützen der Seilbahnen an, sodass diese von den vorbeifahrenden Gondeln aus gesehen werden können.

Auch Mauern und Dächer der Häuser in unmittelbarer Umgebung der Strecke eignen sich als hervorragende Werbeflächen. Für Kleinunternehmen im entsprechenden Gebiet bieten sich so Werbemöglichkeiten auf ganz neuem Niveau. Doch besonders im politischen Kontext eignen sich die modernen Anlagen, die oft täglich von tausenden Passagieren genutzt werden, zur Werbung.

Zum jeweils aktuellen Wahlgang werden häufig handgemalte Werbemittel oder Plakate befestigt. Mittlerweile schlagen diese sorgfältig den Bogen zum digitalen Raum, indem hier mit Slogans, Stichwörtern und Hashtags auf die entsprechenden Websites und digitalen Komponenten einer politischen Kampagne verwiesen wird.

Die Verantwortlichen, die die entsprechenden Seilbahnprojekte genehmigt und finanziert haben sowie die Betreiber und Konstrukteure der jeweiligen Anlagen, nutzen die neue Sichtbarkeit im urbanen Raum aus, um sich selbst zu präsentieren. Diese Werbung findet sich häufig in der Nähe der Stationen, an den Säulen oder auf den Gondeln selbst.

Verschönerung

von Wänden und Dächern der bestehenden Gebäude als unmittelbare Folge der Umsetzung der Seilbahn: Gestrichen (1), Farbrolle (2), gespritzt (3).

Wand- und Dachkunst

Die kreative Gestaltung der Wände und Dächer von Häusern im Gebiet der Seilbahntrasse entspringt teils der Eigenmotivation der Anwohner, Immobilienbesitzer oder örtlichen Künstler. Diese nutzen die freien Flächen, um beispielsweise auf Missstände für Tiere, Frauenrechte und die Umwelt aufmerksam zu machen.

Andererseits werden auch Kunstschaffende von den jeweiligen Gemeinden beauftragt, die Umgebung der Seilbahnen zu verschönern. Der Stadtteil Itzapalapa in Mexiko-Stadt beauftragte beispielsweise 50 Künstler für diesen Zweck. Laut den Einheimischen erfreuen sich die Passagiere der Stadtseilbahnen am neuen Look der umliegenden Häuser – es soll sogar die Kriminalitätsrate gesunken sein.

Räumliche Anpassungen

Um mit der fortschrittlichen Mobilität durch die urbanen Seilbahnen mitzuhalten, finden in den Städten oft architektonische Anpassungen statt, die die Eingliederung der Bahnen in das Stadtbild unterstützen. So wurden beispielsweise in den lateinamerikanischen Städten viele Straßenlaternen gebaut, die ebenfalls für mehr Sicherheit auf den Straßen sorgen sollen, genau so, wie es die neuen Fortbewegungsmittel tun.

Am Beispiel von Mexiko-Stadt lassen sich bereits erhebliche Anpassungen des Designs von Gebäuden feststellen, die in direkter Nähe zur Seilbahntrasse stehen. Die Architekten wollen, dass die vorbeifahrenden Passagiere ihre besten Bauwerke bewundern können.

Aber auch die bestehenden Herausforderungen, die die urbanen Seilbahnen mit sich bringen, beeinflussen das Stadtbild: So finden sich viele Sonnenschirme und Sichtschutzmaßnahmen, mit denen Anwohner ihre Privatsphäre schützen wollen.

Fazit

Die neue Perspektive von oben bringt viele unerwartete und positive Nebeneffekte in die Stadt. Der urbane Raum profitiert von sozio-kulturellen und wirtschaftlichen Vorteilen.

Den Menschen wird so eine neue Bühne gegeben, um sich künstlerisch auszudrücken und den vorbeifahrenden Passagieren die Fahrt zu verschönern. Gleichzeitig profitieren die politischen und wirtschaftlichen Akteure vor Ort von neuen Werbeflächen, die die Bevölkerung bei der Fahrt in der Seilbahn direkt ansprechen.

Dennoch dienen einzelne Maßnahmen bis dato dem Zweck, die Frage der Privatsphäre in den betroffenen Gebieten zu klären. Allerdings findet sich hier auf lange Sicht zweifelsohne ein Weg, um das Problem direkt von Seiten der Betreiber zu lösen. Insgesamt profitieren die Anwohner stark von dem neuen Mobilitätskonzept.