Seilbahn als Geschäft: Erfahrungen mit dem Betrieb multimodaler Mobilität

TRANSDEV ist ein großer, weltweit tätiger Betreiber von öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Unternehmen unterhält auch urbane Seilbahnen – und kennt Chancen wie Herausforderungen multimodaler Mobilität.

Zwei Megatrends beeinflussen das Geschäftsmodell des Mobilitäts- dienstleisters TRANSDEV: Der Klimawandel und der Ressourcenverbrauch auf der einen Seite und die rasante Urbanisierung auf der anderen.

Das betont Christian Kleinenhammann, Geschäftsführer bei TRANSDEV Rhein- Ruhr GmbH, in seinem Referat auf der Kongressmesse Cable Car World.

Die Standseilbahn im französischen Le Havre

wird von TRANSDEV unterhalten. Foto: Philippe Alès

Klimawandel & Ressourcen

Demnach ist die Erde nicht mehr in der Lage, den aktuellen Ressourcenverbrauch zu decken. Steigende Temperaturen führen zu irreversiblen ökologischen Veränderungen.

„Globale wirtschaftliche Entwicklung muss daher nachhaltig sein oder es wird sie nicht mehr geben,“ ist Kleinenhammann überzeugt.

Das Angebot und die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen müssen sich an die veränderten Realitäten anpassen – das betrifft auch die urbane Mobilität.

Rasante Urbanisierung

Weltweit ziehen 1,5 Millionen Menschen jede Woche in die Städte. Bereits 2050 werden voraussichtlich 68 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Bereits jetzt wird in den urbanen Räumen der Großteil der Bruttoinlandsprodukte erwirtschaftet (2019 etwa 86 Prozent weltweit).

„Wir sind daher stark gefordert, nachhaltige urbane Mobilität bereitzustellen“, so Kleinenhammann. Effiziente, multimodale Arbeitswege werden zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Auswirkung auf Geschäftsmodell

Beide Megatrends haben großen Einfluss auf das Geschäftsmodell von TRANSDEV. Das Unternehmen betreibt in 17 Ländern 17 unterschiedliche öffentliche Verkehrsmittel – von der Metro über Rufbusse bis hin zu Bussen, Bahnen und Fähren. 83.000 Mitarbeiter generieren rund 7,1 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Insgesamt verzeichnet TRANSDEV rund elf Millionen Fahrten pro Tag.

Einige davon werden mittlerweile auch von urbanen Seilbahnen zurückgelegt. TRANSDEV sieht vor allem in der schnellen Inbetriebnahme einen Vorteil der Seilbahn.

„Weniger als drei Jahre lagen zwischen dem Bau und der Inbetriebnahme der CableMovil in Bogotá“, so Kleinenhammann.

Zudem ist die Seilbahn deutlich die umweltfreundlichste Mobilitätslösung, wie eine Lebenszyklusstudie am Beispiel der Seilbahn La Paz ergab.

Christian Kleinenhammann
Christian KleinenhammannGeschäftsführer bei TRANSDEV Rhein-Ruhr GmbH
Christian Kleinenhammann ist Diplom-Ökonom und studierte Wirtschaftswissenschaften an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg. Er ist Regionalleiter Region West bei Transdev Deutschland.
Das französische Unternehmen ist mit einem Umsatz von 7,1 Mrd. Euro der weltweit größte private Mobilitätsdienstleister und betreibt u.a. ein Seilbahnnetz in Bogota, Kolumbien. Neben seiner Tätigkeit bei Transdev ist Kleinenhammann seit 2014 Vorstand der Niederrheinischen Verkehrsbetriebe (NIAG) in Moers.

Seilbahnen in Bogotá und Le Havre

Konkret betreibt TRANSDEV eine Umlaufbahn im kolumbianischen Bogotá und eine Standseilbahn im französischen Le Havre.

„In Bogota leben 700.000 Einwohner im Einzugsgebiet der Seilbahn, vier Stationen binden die höhergelegenen Stadtteile an das Schnellbussystem im Tal an“, berichtet Kleinenhammann.

Die Pendlerzeit verkürzt sich um rund eineinhalb Stunden pro Weg (3,34 Kilometer in 13,5 Minuten). Die Seilbahn transportiert bis zu 3.600 Passagiere pro Stunde – das entspricht 18 Bussen.

„Die Standseilbahn in Le Havre ist mehr touristisch orientiert und seit 1890 mit mehreren Unterbrechungen und Modernisierungen im Betrieb“, so Kleinenhammann weiter.

Die Anlage verbindet die Innenstadt mit einem höher gelegenen Wohngebiet; die zwei Stationen sind an das Busnetz angebunden. Die beiden Fahrzeuge fassen jeweils 20 Sitze und 40 Stehplätze.

Kooperationsmodelle als Chance

Beide Anlagen betreibt TRANSDEV laut Kleinenhammann reibungslos. Dies hat mehrere Gründe. So ist der Betrieb von Seilbahnen erprobt und die Technik wenig wartungsintensiv.

„Zudem besteht die Perspektive eines teilautomatischen Betriebs“, sagt der Mobilitätsexperte. Des weiteren stehen interdisziplinäre globale Expertenteams der TRANSDEV-Gruppe im regelmäßigen Austausch über Projekte und Marktentwicklungen.

„Unsere Ausbildungskonzepte für das Bedienpersonal sind variabel und regional unabhängig, um unsere Kapazitäten schnell anzupassen“, berichtet Kleinenhammann. Zudem kooperiert TRANSDEV mit kommunalen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern, um Wissenstransfer zu leisten.

Auch die Zusammenarbeit mit Herstellern und Zulieferern ist eng, um Infrastruktur, Betrieb und Wartung aufeinander abzustimmen. „Kooperationsmodelle sind für den Betrieb urbaner Seilbahnen unerlässlich“, fasst der Mobilitätsexperte zusammen.

Hindernisse

Wissenschaft und Praxis zeigen: Urbane Seilbahnen sind umweltfreundliche und rasch errichtete Verkehrsmittel, der Betrieb funktioniert mit der richtigen Herangehensweise einwandfrei. Warum verläuft die Integration urbaner Seilbahnen dennoch schleppend?

„Ich denke, die verkehrstechnischen Potenziale und Einsatzmöglichkeiten der Seilbahnen werden noch nicht ausreichend berücksichtigt“ sagt Kleinenhammann. Vermeintliche Systembrüche gefährden die Attraktivität, obwohl sie ja beispielsweise bereits zwischen U-Bahn und Busverkehr gelebt werden.

Ein weiterer Grund sind die Bedenken der Bevölkerung zu Privatsphäre und Sicherheit. „Nicht zu unterschätzen sind auch die Verteilungsängste von Verkehrsbetrieben, um die in der Vergangenheit immer knapper werdenden Mittel“, betont Kleinenhammann.

Erfolgsfaktoren

Doch es gibt auch Mittel und Wege, um die Integration urbaner Seilbahnen zu fördern – etwa durch eine genaue Analyse der bestehenden Bewegungsströme. Zudem gilt es Verbesserungspotenziale aufzudecken.

„Künftig sollten bei jedem Mobilitätsproblem einer Stadt alle Verkehrsträger im Rahmen eines gesamtvolkswirtschaftlichen Ansatzes verglichen werden – vom Bus über die Metro bis hin zur Seilbahn “, fordert Kleinenhammann.

Weitere Erfolgsfaktoren sind die Betrachtung der Opportunitätskosten, die tarifliche Einbindung der Seilbahn sowie die frühzeitige und umfassende Einbindung und Beteiligung der Bürger zur Steigerung der Akzeptanz.