Seilbahnplanung: Erfahrungen aus der Praxis

Varanasi und Shimla – das sind die zwei wichtigsten Vorzeigeprojekte urbaner Seilbahnen der Ingenieurbüros SALZMANN und der BERNARD Gruppe. Zusammen mit zahlreichen weiteren Projekten bilden sie die Basis eines reichen Erfahrungsschatzes, der sich auf urbane Seilbahnen weltweit anwenden lässt. Ein Überblick zum Weg einer Seilbahn – von der Idee zur fertigen Anlage.

„Zu Beginn gilt es, den sinnvollen Einsatz von Seilbahnen im urbanen Umfeld für den konkreten Anwendungsfall zu prüfen“, startet Stephan Salzmann, Geschäftsführer der SALZMANN INGENIEURE.

In einer Machbarkeitsstudie werden zunächst die Potenziale der Seilbahn analysiert und unterstützende Maßnahmen erarbeitet, die die Nutzung attraktiver gestalten.

Darunter fällt die effiziente Anbindung und Verknüpfung von schwer bzw. baulich aufwendig erreichbaren Orten, eine hohe Bedienungsfrequenz mit kürzerer Reisezeit ins Zielgebiet als die mit Pkw oder die Entlastung von fließendem und ruhendem motorisiertem Individualverkehr – Stichwort Flächenverbrauch.

„Weitere Potentiale sind reduzierte externe Klima- und Umweltauswirkungen und die Förderung der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs insgesamt“, sagt Philipp Hillebrand, Bereichsleiter Verkehrsplanung bei der BERNARD Gruppe.

Dabei gelten stets zwei Prämissen: Die Seilbahn muss einerseits in das System des öffentlichen Personenverkehrs vor Ort integriert werden, um eine räumliche Bündelung der Verkehrsangebote zu gewährleisten. Andererseits sollte die Seilbahn von Politik und Öffentlichkeit akzeptiert werden.

Stephan Salzmann

Dipl.Ing. Stephan Salzmann hat nach einer technischen Ausbildung zum Maschinenbau-Ingenieur in der HTL Bregenz das Studium Maschinenbau Verkehrstechnik an der TU Wien absolviert. Seit 1995 ist Stephan Salzmann Geschäftsführer des Planungsunternehmens Salzmann Ingenieure und hat seither über 200 Seilbahnprojekte über alle Projektphasen betreut. Zu der langjährigen Erfahrung aus den alpinen Seilbahnprojekten sind seit 2022 konkrete Erfahrungen in der Umsetzung internationaler urbaner Seilbahnprojekte hinzugekommen.

Nutzerpotential erheben

Ein wichtiger Faktor ist auch das Nutzerpotential einer Seilbahn, also die ein- und ausstrahlenden Verkehre der Stadt. Um das Nutzerpotential zu kennen, wird sowohl auf existierende Verkehrserhebungsdaten zurückgegriffen, als auch neue erhoben.

Der Vergleich von neuen und alten Verkehrserhebungsdaten lässt Rückschlüsse auf Verkehrsrückgänge bzw. -zuwächse zu. „Anschließend werden wichtige Nutzungen im Bereich des Ziels definiert und dessen Erschließung durch den Öffenlichen Verkehr analysiert.

„Wir begleiten diese Untersuchungen mit Verkehrsbefragungen zur empfundenen Attraktivität des Verkehrssystems“, so Hillebrand.

Phillip Hillebrand

Philipp Hillebrand ist Bereichsleiter Verkehrsplanung bei der BERNARD Gruppe. Nach dem Studium der Raumplanung an der TU Dortmund arbeitete er von 2008 bis Ende 2014 beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH sowie 2015 und 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr (ISB) der RWTH Aachen. Seit Ende 2016 setzt er bei der BERNARD Gruppe den Fokus auf verkehrsplanerische Aspekte der Bauleitplanung, urbane Transformationsprozesse sowie innovative Mobilitätsangebote.

Verkehr modellieren

Es folgt die Analyse der Netzwirkung und der wechselseitigen Einflüsse der Verkehrssysteme (Verlagerung von Fahrten von anderen Verkehrsmitteln). „Dabei berücksichtigen wir die empfundene Attraktivität des Verkehrssystems“, versichert Hillebrand.

Bereits in dieser Projektphase können verschiedene Trassenvarianten Thema sein (Verlauf, Anzahl und Lage von Stationen, Warte-/Reisezeiten) – stets im Wechselspiel mit der Entwurfsplanung.

Mit dem Verkehrsmodell lässt sich zudem die Preissensitivität der Nutzer analysieren. Die Ergebnisse des Verkehrsmodells fließen direkt in das Betriebskonzept ein.

Große Pläne in Indien:

Die Seilbahn Varanasi 1 wird derzeit gebaut – mit fünf Stationen, 3,76 Kilometern Länge und einer Förderleistung von 3.000 Personen pro Stunde. Varanasi 2 (grüne Linie) soll noch heuer ausgeschrieben werden.

Entwurf planen

Geht es in die Entwurfsplanung, steht zuvorderst die Systemwahl. Diese ist abhängig von der Förderleistung, der Seilfeldlänge, der Kabinengröße gemäß den Fahrgastanforderungen, der Windbelastung, der Betriebszeiten sowie der Bergungs- sowie Immissionssituation.

Um dann die ideale Trasse zu finden, gilt es Stationsstandorte abhängig von Verkehrsknotenpunkten zu definieren und diese zu verbinden. „Das ist die erste Trassenvariante“, betont Seilbahnplaner Stephan Salzmann.

Anschließend suchen die Planer nach erkennbaren Hindernissen entlang der Trasse und passen die Achse in mehreren Phasen an, indem sie Stationen so lange verschieben, bis die beste Strecke gefunden ist.

„In dem Zuge erstellen wir auch das Lichtraumprofil zu begehbaren Bereichen, Bauwerken, Verkehrswegen und Energieübertragungen“, so Salzmann.

Gefahrenpotentiale durch Brand oder Explosion werden besonders detailliert untersucht, um das Seil gegen überhöhte Temperaturen (über 200°C) zu schützen. Ein Gefährdungskataster berücksichtigt die Bauweise und Nutzung überquerter Objekte.

„Die Schallimmission auf benachbarte Grundstücke, die Erschütterung durch die Anlage und die Einsicht in Gebäude und Grundstücke werden ebenfalls analysiert“, so Salzmann weiter. Dabei werden alle Phasen einer Seilbahn untersucht – ob Bau, Betrieb, Wartung oder Bergung.

Es geht voran

Die Seilbahnstationen in Varanasi schießen derzeit in die Höhe.

Projekt ausschreiben

Nach der Genehmigung der Seilbahn – die sich naturgemäß von Land zu Land unterscheidet – werden Bau und Betrieb ausgeschrieben.

Je nach Variante werden Gewerke getrennt vergeben (im öffentlichen Bereich selten), ein Generalunternehmer mit dem Bau der Gebäude und der Seilbahn beauftragt oder zusätzlich der zeitlich beschränkte Betrieb mit ausgeschrieben (meist fünf bis 15 Jahre).

„Public-Private-Partnership-Modelle sind dann interessant, wenn der Erlös im Vorfeld seriös planbar ist“, sagt Salzmann.

Es gibt zudem oft zweistufige Beauftragungen: Die erste Stufe beinhaltet nur die Genehmigungsplanung, die zweite Stufe dann die Ausführung und ggf. den Betrieb.

Um Claims zu vermeiden, müssen Ausschreibungen gut fundiert sein. Bahnachse, Stations- und Stützenstandorte, Stationslayout und Zugangshöhen müssen so weit wie möglich fixiert werden. Ebenso müssen die notwendigen Grundstücksrechte hinsichtlich Baugrund und Überspannung bereits gesichert sein.

„Auch die standortbezogenen Gutachten müssen bereits vorliegen“, betont Salzmann. Beispiele sind Gutachten zu Windlast, Schneelast, Geologie und Geotechnik, Brandgefahren, Naturgefahren (Überflutung, Wildwasser etc.) und Immissionsprognosen.

Detaillierte Leistungsvereichnisse zu Seilbahntechnik und Bauwerken sind ebenfalls ein Muss. „Nicht zuletzt müssen die Rahmenbedingungen für Bau, Montage und Fahrbetrieb vorab definiert sein“, schließt Salzmann.