Urbane Seilbahnen: Wie steht es mit dem europäischen Vergaberecht?

Wenn im Rahmen der Verkehrswende darüber diskutiert wird, ob Seilbahnen in den Städten eingesetzt werden sollen, um zum Klimaschutz beizutragen, wie dies bereits aus einigen Städten in Lateinamerika (z.B. La Paz) oder auch aus Deutschland in Köln bekannt ist, wird die Frage nach dem Vergaberecht aufgeworfen.

Von Volker Dobmann, Fachanwalt Vergaberecht, Berlin

Im Unterschied zum eigenständigen und selbstinitiierten Betrieb von Seilbahnen durch private Unternehmen, z.B. in Skigebieten auf privaten Grundstücken, stellt sich die Situation anders dar, wenn die öffentliche Hand ins Spiel kommt und den Betrieb von Seilbahnen bei Seilbahnbetreibern bestellt, mit Zuwendungen fördert oder selbst Seilbahnen kauft, um dort Menschen von einem Ort zum anderen in der Stadt zu befördern.

Hier ist die jeweilige Kommune grundsätzlich an das Vergaberecht gebunden und ist verpflichtet, ein wettbewerbliches Verfahren nach festen Regeln durchzuführen. Die Bestellung einer Verkehrsleistung, wobei es sich um einen Dienstleistungsauftrag oder eine Dienstleistungskonzession handeln kann, unterliegt dem Vergaberecht.

Bei einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag erhält der Betreiber einer Seilbahn von der Kommune ein bestimmtes Entgelt für seine Leistung, die er dann auszuführen hat. Eine Dienstleistungskonzession unterscheidet sich von einem Dienstleistungsauftrag dadurch, dass der Betreiber das Recht zur Verwertung der Dienstleistung erhält und das wirtschaftliche Risiko selbst tragen muss.

Dies kann dadurch umgesetzt werden, indem er die Fahrteinnahmen erhält. Ggf. kann ein Zuschuss gezahlt werden, der allerdings nicht so hoch sein darf, dass dem Betreiber das wirtschaftliche Risiko abgenommen wird.

Der sog. Schwellenwert, also der Wert, ab dem die Leistung europaweit ausgeschrieben werden muss, beträgt 2019 bei einem Dienstleistungsauftrag im Regelfall 221.000,00 € und bei einer Dienstleistungskonzession 5.548.000,00 €. Die jeweiligen Werte müssen im Hinblick auf die Vertragslaufzeit geschätzt werden.

Diese Konstellationen müssen im Blick behalten werden, wenn öffentliche Auftraggeber von privaten Unternehmen Seilbahnen betreiben lassen wollen, sei es eingebunden in ein bereits bestehendes ÖPNV-System oder als Ergänzung für eine Sonderveranstaltung, wie z.B. bei Gartenschauen wie in Berlin oder  Koblenz.

Die Seilbahn in Koblenz verbindet Deutsch Eck und die Festung Ehrenbreitstein. Foto: Joachim Hofmann-Göttig

Keine Regel aber ohne Ausnahme: Gem. den europäischen Vergabe rechtlinien besteht für jede Kommune auch die Möglichkeit, eine sog. „Inhouse- Vergabe“ durchzuführen, wenn ein Auftrag oder eine Konzession direkt an ein Unternehmen erfolgt, das von der öffentlichen Hand beherrscht wird. Das ist dann der Fall, wenn eine Kontrolle „wie über eine eigene Dienststelle“ ausgeübt wird und mindestens 80% der Tätigkeit des Unternehmens für die Kommune erbracht wird.

Insofern können Kommunen auch öffentliche Aufträge oder Dienstleistungskonzessionen über den Betrieb von Seilbahnen an kommunale Unternehmen geben, soweit sie die Voraussetzungen einer „Inhouse“-Vergabe erfüllen. Im Falle einer solchen „Direktvergabe“ muss keine Ausschreibung durchgeführt werden.

Wenn eine Kommune eine Inhouse-Vergabe durchführt und ein kommunales Unternehmen mit dem Betrieb einer urbanen Seilbahn beauftragt, bedeutet
dies aber nicht, dass das vergaberechtliche Ende erreicht ist. In vielen Fällen ist das kommunale Unternehmen ein sog. Sektorenauftraggeber, der Verkehrsleistungen anbietet.

In den europäischen Vergaberichtlinien ist geregelt, dass unter den Begriff der Verkehrsleistungen nicht nur das Bereitstellen und Betreiben von Netzen zur Versorgung der Allgemeinheit mit Eisenbahnverkehr, automatischen Systemen, Straßenbahn, Trolleybus, Bus, sondern auch mit einer Seilbahn fällt (Art. 11 der sog. Sektorenrichtlinie 2014/25/EU (SRL)).

Ein Netz gilt dabei als vorhanden, wenn die Leistung nach behördlichen Vorgaben erbracht wird. Dazu gehört auch die Festlegung der Strecken, der Transportkapazitäten und der Fahrpläne. Das bedeutet, dass damit ein sog. Sektorenauftraggeber geschaffen wird, der selbst wieder dem Vergaberecht unterliegt.

Dies betrifft auch und gerade die Konstellation, dass Seilbahnen von kommunalen Verkehrsgesellschaften bereits betrieben werden, wie z.B. in Köln. Damit unterliegt z.B. der Kauf von Seilbahnen für das eigenständige Betreiben einer Seilbahn oder die Untervergabe des Auftrages dem Vergaberecht.

Der Schwellenwert im Sektorenbereich beträgt 2019 418.000,00 €. Es zeigt sich somit, dass die Klärung der Frage, ob in den Städten der europäischen Union Seilbahnen betrieben werden sollen, auch vergaberechtliche Fragen aufwerfen, die vor dem Abschluss von Aufträgen sorgfältig geklärt werden müssen.

VOLKER DOBMANN

Rechtsanwalt Dr. Volker
Dobmann, Fachanwalt für
Vergaberecht, Berlin.

  • Studium der Rechtswissenschaften & Politikwissenschaften in Erlangen und Berlin
  • Rechtsreferendariat am Kammergericht
  • Rechtsanwalt seit 1996
  • Promotion an der Humboldt-Universität Berlin 2005
  • Ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift Vergaberecht seit 2010
  • Fachanwalt für Vergaberecht seit 2017