Bergekonzept

Über Notfallpläne urbaner Seilbahnen

Wie erfolgt die Bergung urbaner Seilbahnen, inwieweit müssen Retter geschult werden und warum sind oft Spezialgeräte notwendig? Die Firma IMMOOS gibt SI Urban Einblicke in das Bergekonzept einer urbanen Seilbahn. Das Unternehmen exportiert Sicherheitskonzepte, Bergesysteme und persönliche Schutzausrüstungen für Seilbahnen in mehr als 30 Länder.

Notantriebe, Fernwartung und automatische Bergefahrten – urbane Seilbahnen gelten als sehr sichere Verkehrsmittel. Eine Evakuierung von Fahrgästen durch Abseilen ist daher sehr selten – aber nicht unwahrscheinlich. Daher gilt es für den Notfall gerüstet sein.

Die Firma IMMOOS hat sich genau auf diese Situation spezialisiert und für 30 urbane Anlagen Bergekonzepte erstellt, Material geliefert und Schulungen durchgeführt – unter anderem in Algerien, Südkorea, Türkei, Vietnam, Kolumbien und Myanmar. „Selbst die Seilbahn am Zuckerhut in Rio de Janeiro setzt auf unser Know-how.

Deshalb geben wir unsere langjährige Erfahrung auch gerne an die SI Urban Leser weiter“, so Geschäftsführer Florian Immoos Grundsätzlich werden Fahrgäste, wenn möglich mit Standardverfahren, das heißt vertikal, abgeseilt. „Straßen, Gebäude oder Stromleitungen stehen dieser Bergeart in der Stadt aber meist entgegen.

Daher müssen wir die Passagiere oft entlang des Seils verschieben und können sie erst an den Stützen oder über freiem Gelände abseilen“, berichtet Immoos. Die Retter steigen dazu an den Stützen nach oben, fahren zu den Kabinen und transportieren die Gäste zum nächsten geeigneten Abseilpunkt.

Der Einsatz von Spezialgeräten

Da die Spannfelder von urbanen Seilbahnen oft sehr groß und die Seilfelder sehr flach sind, werden für Bergung Spezialgeräte benötigt. In der Stadt hilft den Rettern weder die Schwerkraft – wie in den Bergen – noch die Entfernung zwischen Stütze und Kabine. Um nun rasch zu den Kabinen zu gelangen, müssen sich die Bergetrupps mit Winden oder Seilfahrgeräten fortbewegen.

„Unser selbstfahrendes Seilfahrgerät SS1 eignet sich für diesen Fall besonders. Mit dem motorisierten Gerät kann der Retter selbstständig und ohne Hilfe eines zweiten Retters zu den Kabinen gelangen“, berichtet der Berge-Experte.

Selbst Steigungen von bis 20° oder 36%, wie sie bei urbanen Seilbahnen oft vorkommen, seien kein Problem. Mit speziellem Zusatzmaterial kann der Retter die Fahrgäste anschließend nach und nach abschleppen.

Der Umgang mit den Fahrgästen

Dabei werden zunächst die mutigen Passagiere – meist Jugendliche – evakuiert, um das Vertrauen der verängstigten Gäste zu gewinnen, anschließend nach und nach die anderen. „Sowohl in der Stadt als auch am Berg wird das passive Bergesystem angewandt – der Fahrgast greift zu keinem Zeitpunkt in seine Evakuierung ein. Das macht allein der Retter“, bekräftigt Immoos.

Das Bergkonzept

Wie die Retter genau vorgehen müssen, ist in einem Bergekonzept geregelt. „Dem Betreiber einer urbanen Seilbahn ist anfangs vielleicht nicht bewusst, dass ein Bergeplan gesetzlich vorgeschrieben ist und von den Seilbahnherstellern meist in einem All-Inclusive-Paket mitgeliefert wird“, erläutert Immoos.

Das Konzept hätten die Hersteller oft von seiner Firma. „Wir bekommen ein Längenprofil der Seilbahn mit Angaben zur Umgebung und erstellen auf dessen Grundlage einen groben Ablaufplan mit Zeitrechnung. Wir halten uns dabei an die europäischen Normen, die weltweit Anwendung finden“, so der Geschäftsführer.

Demach darf die Evakuierung einer Seilbahn nur 210 Minuten dauern – abzüglich 30 Minuten Reaktionszeit. Anhand der Zeitrechnung wird dann Art und Anzahl der Retter und des Materials festgelegt. „Dabei stellen wir für jeden Bergesektor einen individuellen Materialsack zusammen, der nicht nur Geräte und Ausrüstung beinhaltet, sondern auch detaillierte Anweisungen“, sagt Immoos.

Die Schulungen

Diese Anweisungen ersetzen aber beileibe nicht die Schulungen. Bei der Erstlieferung von zertifizierten IMMOOS-Produkten sind Einschulungen sogar vorgeschrieben. „Wir bieten etwa einwöchige Kurse vor Ort in Deutsch, Französisch oder Englisch. Bei Bedarf wird auch noch ein Übersetzer beigezogen“, so der Bergeexperte.

Am sinnvollsten seien Kaderschulungen, bei denen sechs Retter persönlich und intensiv ausbildet werden, die wiederum das eigene Personal schulen. Im weiteren Verlauf muss die Bergung mit Passagieren mindestens einmal jährlich geübt werden, Teile davon sogar öfter.

Da urbane Seilbahnen aber beinahe 365 Tage im Jahr fahren, können große Übungen tatsächlich meist nur nachts oder in der Revisionszeit durchgeführt werden. „Handgriffe und BewegungsabläufekönnendieMitarbeiter jedoch auch während dem Seilbahnbetrieb proben.

Manche Seilbahnbetreiber hängen etwa eine Übungskabine in die Garage oder lassen das Team in der Station das Hantieren mit diversen Geräten üben“, schildert Immoos Praxisbeispiele. Auf Madeira haben die Seilbahnbetreiber sogar ein externes Trainingsgelände geschaffen. Die dort gewonnenen Erfahrungen fließen nach und nach in den Bergeplan mit ein. Fotos: IMMOOS